Wer hätte das gedacht, die Nation starrt gebannt auf einen kleinen, hinterwäldlerischen Staat und hält kollektiv den Atem an: was machen die in Alabama heute? Die wichtige Frage, die sich ausserdem stellt: inwieweit sind die Wahlen fair oder ist da schon im Vorfeld und auch in der Durchführung gemauschelt worden. Einiges deutet darauf hin.

Die Wahllokale sind noch offen, die Meinungsforschungsinstitute haben alle gesagt: keine Prognose möglich, die Wahl wird zu knapp ausfallen. Einzig Fox News, auch Fake News genannt, fiel mal wieder aus der Rolle. Gestern behaupteten sie, dass Doug Jones, der Demokrat, Roy Moore in den Umfragen mit 10% voraus ist. Ich wollte mal sehen, wie offensichtlich ein solches Manöver ist und hab meinen Sohn gefragt.

Ich: “Sag mal, warum, glaubst Du, sagen die das?”

Er (keine Sekunde gezögert): “Ist doch klar, die wollen, dass die Republikaner alle zur Wahl gehen, um den Unterschied auszugleichen.:

Ich: “ja, und …”

Er (hmm): “natürlich auch, dass die Demokraten zu Hause bleiben, weil sie denken, der gewinnt eh und dann mach ich mir die Mühe nicht.”

Genau so! In ca. 10 Sekunden hatte mein 13-Jähriger das herausgefunden.  Bleibt zu hoffen, dass die über 18-Jährigen in Alabama das auch herausgefunden haben.

Ich lese momentan jede Menge über Wahlmanipulation, kommt vermutlich davon, dass ich einigen Leuten, die viel zu dem Thema schreiben, auf Twitter folge (z.b. @mikefarb1) und was ich lese ist bedenklich, sehr bedenklich, Bananenrepublik bedenklich.

Das fing an mit der Ausweispflicht beim Wählen. Klingt natürlich erstmal wie eine gute Idee, bringt man halt den Pass mit zur Wahl (Personalausweise gibt es hier keine). Kleines Problem: nur 36% aller Amerikaner haben eine Pass. Braucht man nur um ins Ausland zu reisen, und viele reisen nicht. Okay, gut, dann halt Führerschein, der ist ja sowas wie ein Personalausweis. So, und nun schaut man sich mal an, wer keinen Führerschein hat: Arme, und vor allem African Americans. Angeblich haben bis zu 25% der schwarzen Bevölkerung keinen Führerschein.  Wenn mal also einen Führerschein verlangt, um wählen zu können schliesst man schon mal so ca. 1/4 der schwarzen Bevölkerung, die überwiegend demokratisch wählt, von der Wahl aus.

Alabama

In den roten Bezirken gibt es keine DMVs mehr, was eine ziemlich lange Reise bedeuten kann.

“Dann geht man halt schnell und holt sich einen” wäre ein gutes Argument, wenn es denn so einfach wäre. Zum DMV (Department of Motor Vehicles) , um einen Führerschein zu bekommen (Prüfungen sind notwendig, praktisch und theoretisch) oder zu erneuern ist eine jener Angelegenheiten, die man noch weniger gern macht als eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Es dauert ewig, Inkompetenz allenthalben, etc. In Alabama haben sie sich noch einen besonderen Trick einfallen lassen: man muss ja sparen, Staatsverschuldung und so, und deshalb sind einige DMVs zugemacht worden. Will mal jemand raten, wo hauptsächlich? Richtig, acht der 10 Bezirke, die vorwiegend schwarz sind, haben ihren DMV verloren. Da muss man jetzt in den nächsten Bezirk fahren – gar nicht so einfach in “Arsch-der Welt”, Alabama, wenn man kein Führerschein hat.

Andere üble Tricks

Auf Twitter Haufen sich schon jetzt die Posts von Leuten, die unerwartete Schwierigkeiten beim Wählen hatten. Eine Frau berichtet, dass sie erst vor kurzem noch in der Demokratischen Vorwahl ohne Probleme gewählt hat und heute plötzlich “inaktiv” war. Kein Grund warum. Inaktiven, darf die Wahl nicht verwehrt werden, sie wählen sozusagen provisorisch. Aber das kann man Leuten natürlich auch schwer machen. Sie wurde an einen speziellen Tisch gebeten und musste einen Fragebogen ausfüllen, der z.B. auch nach dem Geburtsbezirk fragte. Das Mädel kam vorbereitet mit ihrer Geburtsurkunde und konnte die Frage beantworten berichtet aber, dass vor allem ältere Leute, die Frage z.T. einfach nicht beantworten konnten. Bezirksgrenzen sind zigmal neu gezogen worden und wer weiss heute schon noch, ich welchen Bezirk Stadt xy vor 70 Jahren lag?

Die Sache mit den elektronischen Wahlkiosken

Feine Sache, oder, solche Wahlkioske, kein Papierkram mehr, keine halbgestanzten Löcher so wie damals, als Busch die Wahl in Florida “gewann” alles ganz schön sauber und ordentlich. Eben nicht, klar, die Dinger können gehackt werden, wissen wir alle, so hat ja Trump die Wahl gewonnen (jedenfalls behaupten viele das).  Aber auch da gibt es Abhilfe: man kann ja ganz einfach die ganzen Daten speichern und wenn irgendwas hinterher nicht astrein aussieht kann man dem nachgehen.

So, oder so ähnlich dachten sich das die Leute, die verlangten, dass von jeder Stimme, die elektronisch abgegeben wird ein Bild gemacht und das gespeichert wird. Das braucht gut was an Speicherkapazität, allerdings nichts was eine, ein paar Terabyte starke externe Speicherplatte für so ca. $100, nicht schaffen könnten. Ein Gericht in Alabama hat das dann auch so angeordnet. Das war gestern Mittag. Gestern Abend hat das höchste Gericht in Alabama, dem Moore angehörte bevor er gefeuert wurde, diese Anordnung ausgesetzt. Die Bilder müssen nicht aufgehoben werden. John Merrill, der “secretary of state” des Landes Alabama hatte das angesucht und ihm wurde in einer späten Entscheidung recht gegeben. Die Gründe für die Entscheidung sind bestenfalls fadenscheinig.

Das Bild, das sich ergibt ist eindeutig: es beginnt mit falscher Info, dann macht man es den überwiegend demokratisch wählenden Schwarzen schwer einen Ausweis zu bekommen, wenn sie dann schon mit einem auftauchen legt man ihnen weitere Hürden in den Weg und wenn sie auch noch die überwinden, weiss man nicht so genau, was mit ihrer Stimme passiert: wird sie gezählt oder fällt sie unter den Tisch? Oder haben Leute vielleicht sogar Moore gewählt, obwohl sie ihr Kreuzchen bei Jones gemacht haben?

Die Ergebnisse trudeln noch nicht ein, aber eines ist jetzt schon klar, das was hier abläuft hat mir fair und frei und gleichberechtigt nichts mehr zu tun.

Update

Kurz nach 20:00 Uhr hier in Kalifornien. Ich hab die Luft angehalten und die Nachrichten auf meinem iPAd hochgezogen. Jones gewinnt, sagt Vox und Twitter feiert den Sieg. Ich kann es noch nicht glauben und halte noch etwas länger die Luft an.

20:33 – Auch Time, die New York Times und Fox News  schreiben jetzt, dass Jones gewonnen hat, ich fang langsam wieder an zu atmen. Ich habe es ehrlich gesagt nicht geglaubt und kann es noch gar nicht fassen. Heute morgen erst hab ich der Ärztin was von deutlich eingeschränkten Alkoholkonsum erzählt, aber jetzt begebe ich mich auf die Suche nach einem kleinen Umtrunk zur Feier dieses ungewöhnlichen Tages.  Der erste Demokrat in Alabama seit Menschengedenken. Wenn man den ersten Statistiken Glauben schenken darf, haben wir diese in erster Linie schwarzen Frauen zu verdanken, die zu 97% Jones gewählt haben.

Alabama

20:50 Moore räumt seine Niederlage nicht ein. Das ist ein fester Bestandteil von Wahlen hier, der Verlierer gibt sich öffentlich geschlagen und ruft den Gewinner an, um ihm/ihr zu gratulieren. Aber nicht Moore – er liegt mit 21,000 Stimmen hinten will aber dass nochmal ausgezählt wird. Es wird von Gott geredet, der alles in der Hand hat. Offensichtlich wollte Gott, dass Moore verliert, wenn der denn schon in diesen Schlamassel hineingezogen werden muss.