OptimismusHeute mal wieder ein tiefer Griff in die Stereotypen-Kiste: amerikanischer Optimismus. Nun kann man von Stereotypen halten was man will, oft sind sie ja übertrieben, aber sie existieren, weil sie halt auch irgendwie wahr sind. Im Durchschnitt zumindest. Stereotyp des Tages: Amerikaner sind unverwüstlich und nervig optimistisch.

Die typische Antwort eines typischen Amerikaners auf ein typisches Problem (dabei kann es sich um einen eingerissenen Fingernagel nach der Maniküre bis zur fristlosen Kündigung handeln)  ist “Everything will be all right” (alles wird gut werden) oder Varianten davon “It will be fine”, “don’t worry, it will be okay” etc.

Durchschnittliche Deutsche haben damit ein Problem, sie halten es für oberflächliches Gequatsche, für unaufrichtig und im schlimmsten Fall herablassend. Es ist aber in der Regel wirklich nicht so gemeint sondern nur ein Ausdruck des unzerstörbaren amerikanischen Optimismus. Leute sagen nicht “alles wird gut”, damit man aufhört zu reden oder klagen und sie ihre Ruhe haben, sie glauben wirklich, das alles gut wird und wollen das kommunizieren. 

Ausländer verstehen das oft nicht so. Für sie ist es eine hingesagte Phase, die keine Bedeutung hat oder, noch schlimmer, eine billige Art sich nicht mit dem Problem befassen zu müssen. Wer “alles wird gut” sagt, so nimmt man an, impliziert damit, das man nichts tun muss, denn alles wird von alleine gut.  Der Unterschied ist allerdings nur in der Sprache, nicht notwendigerweise in der Aktion. Sagen wir jemand verliert den Job, der Amerikaner sagt “you will see, in the end, everything will work out for the better” (Du wirst sehen, am Ende wird alles besser als zuvor), der Deutsche sagt “Das ist ja furchtbar. Was machst Du jetzt bloss?”

Die amerikanische Antwort verleiht der Hoffnung Ausdruck, dass man die Situation schnell auf’s Beste lösen kann, die deutsche, bringt Mitleid zum Ausdruck. Keine der beiden ist von Hause aus besser als die andere, beide sind angemessen und die wahre Frage ist doch, wie sich der Sprecher im weiteren verhält. Sagt er/sie “ich frag mal bei uns in der Firma nach” oder “Ich kenn den Markus bei der Firma sowieso, die suchen immer Leute” oder “ok, jetzt gehen wir erstmal einen trinken und überlegen wie es weitergeht” dann hat er/sie die Absicht zu helfen, unabhängig davon, ob die erste Reaktion amerikanischer Überschwang oder deutscher Pessimismus war. Wenn er/sie nicht helfen will, ist es auch gerade egal ob er/sie das überschwänglich oder pessimistisch tut. 

Man fragt sich natürlich schon, wo der ganze amerikanische Optimismus herkommt (ich frag mich das momentan jeden Tag, wenn ich auch zugeben muss, dass er etwas abgenommen hat im letzten Jahr). Man kann sich natürlich umgekehrt auch fragen, wo die Tendenz alles schwarz zu malen herkommt. Der amerikanische Optimismus scheint schon ein altes Phänomen zu sein, schon der Franzose Alexis de Tocqueville hat im 19 Jahrhundert kommentiert, dass die Amerikaner optimistisch sind. Vermutlich hängt es, wie vieles, damit zusammen dass Amerika ein Land der Einwanderer ist und eines kann man den typischen Einwanderern, ob sie nun per Schiff aus Europa kamen oder von Mexiko durch den Rio Grande schwimmen nicht nachsagen: dass sie glauben, dass alles schief geht, was schief gehen kann. Dann würden sie nämlich noch zu Hause sitzen.

Eines der Bücher, die mir geholfen hat, das amerikanische Wesen besser zu verstehen ist Bill Brysons “The Life and Times of the Thunderbolt Kid” (das deutsche Buch heisst “Mein Amerika”) darin beschreibt er, wie er in den 50ziger Jahren Iowa aufgewachsen ist. Der Krieg war vorbei und ausser Hawaii und die Soldaten hatte ja keiner etwas abbekommen. Es war Aufbruchstimmung, alles schien möglich. Den Menschen ging es besser, sie kauften Fernseher, Autos und Häuschen, die Kinder ging auf gute Schulen, die Männer arbeiteten und hatten 3-Martini-Mittagsessen, während die Frauen mit immer neuen Küchengeräten die Familien bekochten, etc – die Idylle halt, der heute viele nachhängen (die aber oft keine war, aber das ist eine andere Diskussion). 

Der Fortschritt und zwar guter Fortschritt, Fortschritt, der Menschen hilft, nicht sie durch Maschinen ersetzt, schien unaufhaltsam. So sind die Baby Boomer aufgewachsen, was sich ja doch deutlich von der deutschen Erfahrung unterscheidet. 

Also, lieber Besucher, liebe Besucherin dieses Landes “everything will be fine” ist nicht bös gemeint, ist nicht oberflächlicher als “Um Gottes Willen, das ist ja schrecklich” sondern einfach nur Ausdruck eines amerikanischen Optimismus, der weit zurückreicht. Trump bemüht sich redlich ihn – zumindest in der Hälfte der Bevölkerung – zu zerstören und macht das auch sehr gut. Im Ende, allerdings glaube ich nicht, dass er es schaffen wird. 

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