AlkoholNeulich war ich mal wieder beim Arzt so eine Routinesache und wie immer musste ich langwierige Fragebögen ausfüllen, mich vermessen und abwiegen lassen und dann zum Thema Alkohol auch noch Rede und Antwort stehen. Basierend auf der Reaktion hab ich früher anscheinend einen schockierenden Lebenswandel geführt.

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Bei jedem Arzt in jeder Praxis gibt es diese blöden Blumenstifte. Ich steh da regelmäßig davor und seh sie nicht, weil ich das für geschmacklose Deko, nicht für geschmacklose Schreibutensilien halte.

Ich war schon lange nicht mehr bei einem deutschen Arzt und weiss nicht, wie es da so läuft aber hier bekommt man erstmal jede Menge Zettel in die Hand gedrückt und meist einen Kuli mit grossen Plastikblumen hinten draufgeklebt.  Fragt mich nicht warum scheint irgendwie dazuzugehören.

Man setzt sich also erstmal hin und richtet sich gemütlich ein.  Das dauert.  Dann gibt man pflichtschuldigst Antwort auf Frage wie Allergien – das macht ja noch Sinn – alle möglichen Erkrankungen, die man selbst hat oder im engeren Familienkreis auftreten – auch das versteht man noch. Ich kreuze immer alles nein an, ich hab ja nichts und das was ich hab, nämlich eine künstliche Hüfte, taucht auf der Liste nicht auf.

Dann kommt man zu den Lifestyle Fragen: Rauchen?  Nein, wenn ich rauchen würde, würde ich mich hier ohnehin nicht hergetrauen. Drogen? Nee, auch nicht und selbst wenn, ich würde es da doch nicht hinschreiben, wenn ich mir regelmäßig die Rübe vollkoksen würde.  Dann wird’s schwieriger: Alkohol?  Und wenn ja wieviel?  Ich hab mir, um irgendwelche blöden Diskussionen mit dem Arzt zu vermeiden, angewöhnt zu sagen, dass ich so zweimal die Woche ein winziges Gläschen Weisswein trinke.  Stimmt zwar nicht, klingt aber gut.

Damit ist man aber noch nicht fertig mit der leidigen Alkohol-Frage. Neulich holte mich also eine Krankenschwester ab, wiegt mich, vermisst nicht, Blutdruck und alles und fragt dann nochmal, ob ich rauche.  Nein, immer noch nicht. Drogen nehme, nein auch das nicht. Und, ah, Sie trinken Alkohol. “Mmh, ja” sag ich “manchmal”.  “Wie oft denn” will diese halbe Portion einer asiatischen Krankenschwester wissen, die vermutlich nach einem Fingerhut voll Radler schon aus den Latschen kippen würde. “Mmhhhhh”, sag ich, um Zeit zu schinden “halt so ein Gläschen ein paar mal die Woche.”   “Wie oft denn?” insistiert sie. “Ich wuerd sagen zwei mal, manchmal drei mal” sag ich und füge im Kopf noch hinzu “oder so”.

Jetzt wird sie hellhörig, das war wohl deutlich zuviel. “Haben Sie jemals mehr als 4 Drinks an einem Abend getrunken?” fragt sie mich mit schockiertem Gesichtsausdruck. Ich glotze blöd und frage zurück: “Wie meinen Sie dass, wollen Sie wissen, ob ich in letzter Zeit mehr als vier Drinks an einem Tag hatte oder irgendwann schon mal in meinem Leben?” “Irgendwann in ihrem Leben!” meint sie  ganz ernsthaft und jetzt ist es an mir einen schockierten Gesichtsausdruck zu machen. Die fragt mich doch tatsächlich, ob ich irgendwann in der Vergangenheit schon mal einen über den Durst getrunken habe, als ob das was mit meinem jetzigen Gesundheitszustand zu tun hätte.  Mir wird das Spiel zu blöd. “Natürlich” sage ich mit meinem unschuldigsten Gesichtsausdruck “öfter mal”.

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Wer kann da schon nein sagen. Bildquelle

Ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie kurz davor steht die anonymen Alkoholiker anzurufen. Sie schluckt hart, fängt sich und fragt mit dünner Stimme “wirklich?”. “Aber ja” antworte ich leutselig, “im Studium, da haben wir ständig zu viel getrunken.” Ich will gerade anfangen die Geschichte zuerzählen, wie ich damals bei der Hausparty zuviel von den leckeren Mojitos hatte aber kann nicht nicht entscheiden, ob die Geschichte von Sylvester 1999 auf 2000 in New York, als ich zum Frühstück Margaritas trank, zum Mittagessen Martinis und so weiter nicht doch besser waere als mir ihr Gesicht auffällt. Das kann ich der nicht erzählen und hier ohne weitere Belehrungen oder Interventionen herauskommen.  Ich lass es also, zucke nur die Schultern und sage sowas wir “früher halt, sie kennen das ja sicher” wohlwissend, dass sie das nicht kennt.

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Alles gut, ich kann weiterhin Prosecco trinken. Bildquelle

Sie nickt schockiert und räumt das Feld. Die Ärztin ist dann ganz nett, erspart mir weitere Alkohol-Diskussionen und bestätigt mir sogar, dass ich mir keine Sorgen um mein Gewicht machen müsste, dass sei im normalen Bereich.

Das freut mich, darauf mach ich mir heute Abend ein Fläschchen Prosecco auf. Lecker!