Eine Konstanzerin in Kalifornien

Der Fisch stinkt vom Kopf

Fish stinkt vom Kopf

Der Fisch stinkt vom Kopf, obwohl dieser Kerl hier sieht noch ganz munter aus.

Ich hab’s eigentlich nicht so mit Sprichworten, das hat mir schon in der 8. Klasse Probleme bereitet, als ich in einem Aufsatz zum Thema “Sind  Sprichworte noch relevant” die ziemlich radikale Position vertrete habe, dass sie alle bestenfalls unnütz sind und sich gegenseitig widersprechen. Ich hab das auch belegt – aber das half nichts, ich hab trotzdem eine 4 bekommen (sowas merkt man sich!). Jetzt viele Jahre später seh ich mich gezwungen anzuerkennen, dass Sprichwort hin und wieder recht haben. Das Fallbeispiel heute: der Fisch stinkt vom Kopf.

(Ich muss jetzt doch noch anmerken, dass das meine damalige These nicht widerlegt, es gibt immer noch sehr viele widersprüchliche Sprichwort, aber ist eigentlich auch egal).

Eine Freundin, die im mittleren Management einer bei Silicon Valley Standards mittelgrossen Firma mit internationalen Expansionspläne, arbeitet, erzählt gerade völlig entrüstet, dass es neulich in einer Besprechung fast zum Eklat gekommen wäre. Sie sind im Prozess ein Softwarepaket für irgendwas Wichtiges auszuwählen und haben alles nach Vorschrift gemacht: verschiedene Anbieter angeschaut, detaillierte Analysen gemacht, verhandelt was die notwendigen Modifizierungen kosten würden, über Kundenbetreuung diskutiert, etc. – was man halt so tut, wenn man eine richtige wichtige Entscheidung treffen will. Und der Sieger war: eine französischer Firma. Wie immer wurden dann doch noch mal abschliessend diskutiert und das ist der Zeitpunkt, als das Entrüstende passierte. Einer oder mehrere, sie war immer noch so aufgebracht, dass das nicht ganz klar wurde, der Mitarbeiter sagten sinngemäß folgendes: “ist ja alles gut und schön und das Produkt auch gut und der Prozess ist einwandfrei durchgezogen worden, aber ich kann Franzosen einfach nicht leiden. Mit Franzosen kann man nicht arbeiten, die Franzosen sollten wir nicht nehmen.”

Wow – das ist Kalifornien, hier sagt man sowas nicht. Man denkt es vielleicht aber man sagt in einer Firma keine solche Dinge.  Das Grundprinzip ist, dass Geschlecht, Rasse, Herkunft keine Rolle spielen, dass es Rassismus, Sexismus, Diskriminierung zwar gibt, aber dass es zumindest im professionellen Umfeld nicht gesagt wird. Man  will solchen Vorurteilen nicht auch noch fördern. Kann man jetzt für politisch korrekten Unsinn halten, ist es aber nicht, in einer multikulturellen Gesellschaft wie hier. Solche Vorurteile müssen sozial geächtet werden. Waren sie auch bislang, solange ich hier in diesem Land lebe  – bis vor kurzem.

Und damit sind wir wieder beim Fisch.

Oder besser gesagt, dem stinkenden Kopf. 

In all meinen Jahren hier, habe ich nie etwas ähnliches laut im Rahmen einer Besprechung ausgesprochen gehört. Undenkbar. Seit allerdings vom angeblichen Kopf dieser Republik rassistische und sexistische Kommentare täglich auf uns niederprasseln, glauben auch die hinteren Teile vom Fisch, dass sie jetzt mit ihren Vorteilen und Hassreden nicht mehr hinter dem Berg halten müssen.

Die Geschichte, die ich her beschrieben habe ist kein Einzelfall, nur eine, an der ich sozusagen in zweiter Reihe live teilgenommen habe. Der Rassismus und Sexismus, der bislang verschwiegen wurde, wird jetzt offen und zum Teil auch noch stolz gezeigt. Wieso soll man sich auch zurückhalten, wenn der Präsident ganz Afrika und Haiti (wo meine Freundin aufgewachsen ist, was die Situation auch nicht besser gemacht hat) als “shitholes” bezeichnet, wenn der Fisch-Kopf ständig irgendwelche Twitterkriege mit schwarzen Musikern, Athleten, Politikern, Stars anfängt aber ihre weissen Kollegen, die sich ebenfalls kritisch äußern davon weitergehen verschont bleiben.  Gerade die letzten paar Tage hatten wir wieder so einen Fall Trump hat Jay-Z per twitter angegriffen aber Eminem, der schon vor Monaten einen vernichtend bösen Song über ihn gemacht hat, ist bislang noch nicht zum Ziel Trumpschen Unmutes geworden.

Der Fisch stinkt vom Kopf

Ich fürchte vor allem um unsere Mexikaner hier. Ich frag natürlich nie nach, nehme aber an, dass schon einige Illegale sind.

Nun kann Jay-Z das schon ab, mit dem hab ich kein Mitleid, aber das Problem ist das die Politik das tägliche Leben vergiftet. Ich habe die Einstellung “ach, das geht Dich doch alles nichts an, kümmere Dich doch nicht um Politik, leb einfach Dein Leben, es betrifft Dich ja direkt nicht” nie für richtig und akzeptabel gehalten, natürlich geht es mich etwas an, wenn her jeden Tag eine andere Umweltschutzbestimmung ausgehebelt wird und natürlich geht es mich etwas an, wenn ich höre, dass die Immigrationspolizei hier in Kalifornien verschärft Leute verhaften und abschieben will. Nicht direkt, natürlich, da ich ja Staatsbürgerin bin und nie illegal hier gelebt habe, aber die Vorstellung, dass wir zu unserem Lieblingsmexikaner kommen und der zu ist, weil sie die alle eingesperrt haben (ich weiss nicht, ob die Leute da wirklich Illegale sind, ist nur ein Beispiel) geht mich schon was an.

Aber selbst wenn ich mich dieser Philosophie verschrieben hätte, würde mich spätestens jetzt die Politik einholen, wo Rassismus und Diskrimierung wieder salonfähig sind, wo Leute sich sicher genug fühlen als Argument in einer Besprechung anzubringen “das machen wir nicht, weil ich die Franzosen nicht ausstehen kann”. 

Und das hier ist Kalifornien, ich mag mir gar nicht vorstellen, wie offen der Rassismus, Sexismus und die Vorurteile jetzt in anderen Teilen des Landes ausgelebt werden.

Es stinkt mächtig vom Kopf her. 

 

 

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1 Comment

  1. Eric

    Dann hat das Unternehmen nicht mit einer “Entscheidungsmatrix” gearbeitet.
    Wären alle Teammitglieder, auch der Boss mit eingebunden gewesen, hätte man das Ergebnis wahrnehmen müssen, zumindest als Prototyp bzw. auf befristete Zeit. Entweder wären Länder genannt worden, die man bevorzugt oder auch nicht oder man hätte aus Erfahrungen Länder ausschließen können. Sollte das alles so gelaufen sein und der Chef sagt nein, da er keine Franzosen mag, würde ich den an den Pranger stellen aber richtig! Er arbeitet für ein Unternehmen und ist verpflichtet Unternehmensentscheidungen über die Eigenen zu stellen! Wenn alles korrekt gelaufen ist, hätte ich – wäre ich Entscheidungsmitglied gewesen – diese Vorgehensweise nicht akzeptiert. Ganz klar auch über Vorgesetzte hinweg…

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