HeimatWas ist Heimat? Das ist eine Frage die sich sicher alle Expats – also (freiwillige) Auswanderer – früher oder später und mehr oder weniger heftig und häufig stellen.  Wo gehöre ich hin – hier oder da, beides, nirgends?  Wie wichtig ist der Begriff der Heimat für mich?  Kann man zwei Heimaten haben – oder gar keine.  Ich werde oft gefragt “Ja wo bist Du denn jetzt daheim – hier oder dort?”

Die Antworten auf diese Fragen sind sicher so individuell wie die Menschen, die versuchen sie zu beantworten.  Und für die meisten ändern sie sich sicher auch über die Zeit. Wie es für mich aussieht versuche ich hier zu erklären.

Wie definiert der Duden das Wort Heimat?

Aber fangen wir doch mal mit der Duden Definition des Wortes an. Da findet man:

Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend)

Ich finde diese Definition geht nicht weit genug, da sie zumindest oberflächlich auf die Geographie beschränkt ist.  Natürlich kann man argumentieren, dass Kultur, Sitten und Gebräuche sowie Sprache geographisch gebunden sind und damit inbegriffen sind.  Ich finde diese Komponenten allerdings sehr wichtig und denke, sie sollten deshalb extra erwähnt werden.

Heimat im Englischen
Heimat

Ein home – weniger als Heimat aber mehr als ein Haus

Interessant ist auch, dass es das Konzept der Heimat in dieser Breite zum Beispiel im Englischen nicht gibt.  Das Wort home kommt dem noch am nächsten.  Home ist allerdings in erster Linie das Haus/Gebäude, in dem man lebt und sich wohl und zu Hause fühlt.  Das Haus in dem man aufgewachsen ist, z.B. ist das childhood home – das Kindheits-Zuhause.  Man sagt auch, wenn Besucher kommen, welcome to our home – willkommen in unserem Zuhause.  Welcome to our house geht auch, drückt aber eine Distanz aus, eher als wenn man im Hotel wohnen würde.

Ich hab das lange falsch gemacht und es eigentlich erst gelernt als mein Sohn, der ja amerikanischer Muttersprachler ist (auch mit einer deutschen Mutter), von unserem Haus immer als home gesprochen hat, und nicht als house.

Die Amerikaner sind nach wie vor in der Regel viel mobiler als die Deutschen – man zieht doch häufiger um – und deshalb ist wohl die Idee des homes als etwas, was man sich schafft, wo immer man auch ist – eher angemessen, als die Idee der Heimat, die doch in aller Regel die geographische Komponente hat und nicht einfach eingepackt und mitgenommen werden kann.

Ich muss zugeben, dass ich nie sehr heimatverbunden war.  Es liegt mir einfach nicht in der Natur.  Als ich zuerst hier weg bin – nach Düsseldorf – hab ich ein gutes Jahr gebraucht, um nicht dort einigermassen wohl zu fühlen.  Das hatte aber, glaube ich, viel damit zu tun, dass ich da eigentlich ursprünglich nicht hinwollte und so erstmal gegen meinen eigenen Widerstand ankämpfen musste.  Am Ende hat es mir dann gefallen.  Der zweite grosse Umzug war dann nach Cambridge, Massachusetts.  Dort war ich nach ca. 3 Tagen zu Hause.  Das klingt jetzt blöd, aber es war so.  Ich wollte nie wieder weg.  Es war weniger Cambridge, es war die Uni.  Ich hab mich unter all den internationalen Studenten und verrückten Ingenieuren wie ein Fisch im Wasser gefühlt.  Das waren “meine Leute”, die haben meine Sprache gesprochen – zumindest im übertragenen Sinn (mein English war leidlich, aber ich hab auch sehr viel Spanish, Hindi und Chinesisch gehört).

Nach zwei Jahren war Schluss, die Uni war fertig und die Leute haben sich in alle Windesrichtungen zerstreut.  Zwei Wochen nach dem Abschlussball bin ich nach Kalifornien gezogen und bin seither nur zweimal in Boston/Cambridge gewesen.  Die Bindung war niemals an die Stadt/Geographie sondern immer an die Situation und Menschen.

Kalifornien
Heimat

Liebe auf den ersten Blick: Kalifornien

Als ich das erste mal in Kalifornien war, vor vielen, vielen Jahren, hat ich die plötzliche Eingebung/blöde Idee “wenn das Leben gerecht wäre, wäre ich hier geboren.  Hier gehöre ich hin.”

Stimmt das nach mehr als 15 Jahren dort?  Ja – und nein.  Kalifornien ist Heimat.  An einem Sommertag in der Sierra Nevada wandern und den typische Duft von Wacholder, Pinien und Eukalyptus zu riechen – eindeutig Heimat.  An einem sonnigen Tag auf den Pazifik starren und sich vom Wellengeplätscher einlullen lassen: Heimat. Im Supermarkt im Gang mit den Cerealien mit einer wildfremden Person die Vor- und Nachteile verschiedener Produkte diskutieren – total!

Heimat

Essen ist immer ein Stück Heimat und gute Brezeln gibt es nur in Süddeutschland!

Am Esstisch bei meinen Eltern Butterbrezeln verdrücken: Heimat.  Am Rutsch die Sonne untergehen sehen: Heimat, mit dem Fahrrad durch die Gegen düsen: auch.

Heimat

Die Hütte meiner Mama im Tägermoos: Heimat!

Ich habe Glück: ich habe zwei Heimaten

Irgendwann hab ich es aufgegeben, die Frage nach “Heimat hier oder da?” lösen zu wollen.  Ich bin ein Mensch der nicht eine Heimat braucht.  Ich habe Glück: ich habe zwei und sie sind sehr verschieden.  Jede spricht eine wichtige Seite von mir an, jede macht die andere besser.  Hüben wie drüben weiss ich die Eigenschaften und Vorzüge der anderen zu würdigen, ohne die Eigenschaften und Vorzüge der einen zu vergessen.

Ich glaube, viele Menschen hier in Deutschland verstehen dass nicht, sie denken man kann nur eine Heimat haben, einen Platz an dem man sich verwurzelt fühlt,  aber das stimmt – zumindest für mich – nicht.  Ich hoffe, dass ich niemals wählen muss zwischen der einen oder anderen Heimat, mein Leben würde dadurch verlieren.

Wenn überhaupt, kann ich mir eher vorstellen, noch eine dritte Heimat zu finden.  Wo? Keine Ahnung, aber ich werde es wissen, wenn ich den Platz gefunden habe.