Ich sag jetzt gleich mal vorneweg was ich von der ganze Geschichte mit der disziplinierten und geradezu präsidentialen Rede von Trump vor dem Kongress halte: gar nichts. Das war kein neuer Trump!

Er hat gezeigt, dass er lesen kann (vom Teleprompter) und dass er Momente hat, in denen er sich nicht wie eine wütendes Wildschwein im Porzellanladen benimmt.  Dass das schon als präsidential gilt bedeutet, dass wir unsere Anforderungen and präsidentiales Verhalten in nur 5 Wochen sehr weit nach unten geschraubt haben. 

Die Hoffnung, dass er sich geändert hat, dass die Würde und das Gewicht des Amtes aus einem ungeschliffenen politischen Diamanten in Kuerze einen schimmernden Brillanten gemacht haben, ist verführerisch – und falsch.

Die Rede vor dem Kongress war einigermassen zivilisiert und im Ton positiver als die dunkle Blut-und-Bodengeschichte, die er uns zur Amtseinführung aufgetischt hat, als er zerstörte Innenstädte mit armen Menschen heraufbeschwor und versprach alles wieder ganz schnell heile zu machen. Wie gesagt, dass beste was man über diese Rede sagen kann, ist, dass ein Mann, der stolz darauf ist, dass er nicht liest, tatsächlich ein paar einfache Sätze vom Teleprompter runterlesen kann und dass er sich mal für ein paar Minuten beherrschen kann.  Inhaltlich war das ganze bestenfalls heisse Luft, kein neuer Trump.

Kein Neuer Trump sondern Selbstverliebtes Geschwafel
Kein neuer Trump

Gesundheitsreform ist unglaublich kompliziert. No shit! Bildquelle

Was hat Trump konkret gesagt? Das gleich wie immer: der gute Papa Trump macht alles heile, schaut nur gut zu und bewundert ihn.  Erst letzte Woche hat er ja wohl staunend verkündet, dass es doch verdammt schwer sei so ein Gesundheitswesen zu reformieren.  Das hätte ich ihm auch schon vor der Wahl sagen könne, mein 12-Jähriger übrigens auch.  Aber uns fragt ja keiner. Da er ja trotz allem vollmundig Reform, die alles besser macht, verkündet hatte man in einer solchen Rede ein paar klitzekleine Details erwartet.  Oder vielleicht ein bisschen was zu dieser wunderbaren Steuerreform, die uns allen neue ungeahnte Reichtuemer verschaffen soll während gleichzeitig riesige Infrastrukturprojekte wie die Mauer, neue Autobahnen etc etc in Angriff genommen werden.  Das fällt einem das alte deutsche Fasnachts-Lied wieder ein “wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld? …” .  Ein paar Details wo die ganzen Milliärdchen denn so herkommen sollen war schon ganz gut gewesen.

Welche Einigkeit?

Dann das Geschwätz von der Einigkeit: nervt nur noch. Einigkeit kann man nicht herbeischwätzen und Einigkeit gibt es keine in den USA.  Hat es vielleicht schon lange nicht mehr gegeben aber jetzt ist es offensichtlicher als je zuvor. Jetzt, wo wir Liberalen, die wir Hillary mit fast 3 Millionen Stimmen mehr gewählt haben als der Rest ihren Trump, ständig zu hören kriegen, dass wir das Maul halten und still sein sollen, weil wir jetzt nämlich nichts mehr zu sagen haben.  Nie haben Millionen Menschen schneller ihre Stimme gefunden als in den letzten fünf Wochen als sie ständig hören musste, dass sie nichts mehr zu sagen haben. Trumps Gequatsche über Einigkeit wird daran gar nichts ändern, im Gegenteil, es wird nur als extrem heuchlerisch und falsch empfunden.  Es glaubt doch keiner, dass er das ernst meint. Im übrigen muss man das gar nicht glauben, denn der Präsident, der die freie Presse noch ein paar Tage zuvor wiederholt als den Feind des Volkes bezeichnet hat, dem geht es nicht um Einigkeit, zumindest nicht um Einigkeit im Rahmen einer freiheitlichen Grundordnung.  Einigkeit etwa so wie in Nordkorea schon eher.

Wo bleibt die Verteilung von Gewalt? Kein neuer Trump!

Dann das mit der Gewalt: muslimische Mitbürger sowie illegale Einwanderer leben in Angst und Schrecken und in Kansas wird ein indischer Ingenieur erschossen und einer angeschossen, weil ein Rassist sie für Iraner hielt und glaubte, dass gebe ihm das Recht ihn zu erschiessen. Dann werden jüdische Friedhöfe vandalisiert, und jüdische gemeinnützige Einrichtungen erhalten Bombendrohungen. Was kommt als Reaktion aus dem Weissen Haus? Spekulationen darüber, dass die Anschläge auch von Demokraten verübt worden sein könnten, die Trump-Anhaenger in Verruf bringen wollen. Das wars, keine schnelle und eindeutige Verurteilung dieser Anschläge, nichts.  Wie immer versucht Trump die Verantwortung anderen in die Schuhe zu schieben.

So, und jetzt diese “grosse” Rede, die “staatsmännische” Rede, die hätte ihm genug Möglichkeit geboten sich in aller Schärfe zu distanzieren.  Was tut er? Ein Satz, einen ganzen Satz zu dem Thema.

Hier ist er:

Recent threats targeting Jewish community centers and vandalism of Jewish cemeteries, as well as last week’s shooting in Kansas City, remind us that while we may be a nation divided on policies, we are a country that stands united in condemning hate and evil in all of its very ugly forms.  (Jüngste Gewaltan-drohungen gegen jüdische Gemeindezentren und der Vandalismus in jüdischen Friedhoefen sowie die Schiesserei letzte Woche in Kansas City erinnern uns daran, dass wir zwar eine Nation sind, die politisch geteilt ist, aber wir sind ein Land, das vereint Hass und Boeses in all seinen haesslichen Formen verurteilt.)

In einem Satz tut er alles ab und macht es dadurch noch schlimmer und unglaubwürdiger, dass er nicht einmal die Fakten kennt.  Der Inder wurde in Olathe, Kansas erschossen, nicht in Kansas City. Wie ernst kann es ihm sein mit der Verurteilung, wenn er und sein Team es nicht einmal schaffen die grundlegendsten Fakten hinzubekommen?

Wer glaubt, einen besseren, neuen, staatsmännischen Trump gesehen zu haben wird sich noch wundern.  Er hat sich für eine kurze Zeit mit Ach und Krach wie ein normaler Mensch verhalten, dafür muss man einem Präsidenten nicht gratulieren.  Oder wie es jemand auf Twitter so schön formuliert hat: wenn wir uns schon freuen müssen, dass der Präsident nach seiner Rede nicht in einer Zwangsjacke abgeführt werden musste, haben wir unsere Anforderungen wirklich zu weit heruntergeschraubt.