LandliebeHeute stand ich mal wieder staunend vor einem Zeitschriftenregal hier in Konstanz. Ich konnte es gar nicht glaube wieviele das Landleben verherrlichende Magazine es mittlerweile gibt. Als ich das letzte mal genau hinschaute waren es zwei oder drei, jetzt müssen es 10 sein. Alles ein bisschen merkwürdig, fand ich, und began ein bisschen zum Thema Landliebe und Landflucht nachzulesen.

Vom Landliebe-Magazin zur Politik

Dieser Blog fing eigentlich mit einer harmlosen Beobachtung an “Mann, jetzt übertreiben sie es aber gewaltig mit den Landliebe/Landromantik Magazinen” ist jetzt aber dabei wieder ins Politische abzugleiten.  Seit Trump’s Wahlsieg scheint fast alles politisch zu sein.  Bevor ich mich hier auf diesem Blog in eine Behauptung versteigern wollte – also Land-Romantik in Zeiten der Landflucht – wollte ich mich erst einmal davon überzeugen, dass die Landflucht tatsächlich real ist.

Was ich gefunden habe ist: ganze ländliche Regionen entvölkern sich und trotz erklärter grosser Liebe zur Ruhe und dem wunderbaren Grün auf dem Land ziehen Leute Stadtwohnungen Landhäusern vor.  Landleben ist chic allerdings meist auf’s Wochenende in Zweithaus auf dem Land beschränkt oder im unmittelbaren Umkreis einer grossen Stadt.

Wer 50 km von München oder Hamburg entfernt wohnt, wohnt nicht wirklich auf dem Land.  Da gibt es noch S-Bahnen und gute Strassen, da kann man regelmäßig in die Stadt fahren und

Landliebe

Die Vorzüge der Stadt

mit Freunden eine Latte Macchiato trinken oder beim neuen chicen Italiener eine Arugula-Pizza essen.  Da hat man noch recht einfachen Zugang zu Kunst und Kultur und vor allem guten Jobs – auch wenn man länger im Auto oder der Bahn sitzen muss, um dahin zu kommen.

Schlussendlich bin ich über diesen Artikel in Die Zeit gestolpert.  Der trifft den Nagel auf den Kopf!

Landleben den USA und in Europa
Landliebe

Idyllisch – schon, aber was sind die Perspektiven?
Bild: Ales Krivec, stocksnap.io

Wer meine Blogs öfter liest hat vielleicht auch den gelesen, in dem ich die Beobachtungen meiner Freundin in Montana übersetzt habe (hier).  Im Endeffekt steht in beiden Artikeln im wesentlichen dasselbe: die wirkliche Landbevölkerung (nicht im Dunstkreis einer grossen Stadt, schlecht öffentlich angebunden, schlechte Internet-Verbindungen, keine Industrie, Massenabwanderung der jungen Generation) fühlt sich verarscht – und ist es wahrscheinlich auch.  Mit dem Wegfall traditioneller Arbeitsplätze stehen ganze Landstriche vor dem Ruin.  Es gibt keine Jobs, keine Perspektiven und eine Welle der Budget-Kürzungen jagt die andere.  Die Infrastruktur zerfällt und mit ihr die Moral und die Hoffnung.  Investiert wird in diese Region nicht, oder viel zu wenig.  Firmen lassen sich dort nicht nieder: es gibt zu wenige qualifizierte Arbeitnehmer. Die Leute mit Qualifikationen, die die Industrie des 21. Jahrhunderts braucht, verlassen das Land und ziehen in die Städte wo sie Jobs und Perspektiven haben – ein Teufelskreis.

Nährboden für Populisten

In solchen Situation verfallen Menschen den Versprechungen von Populisten, wählen Demagogen oder entscheiden sich aus der EU auszutreten, obwohl die EU die einzige war, die überhaupt noch Geld für diese Regionen locker gemacht hat.  In solchen Regionen sitzen die Trump-Wähler, die Brexit-Wähler, die Hofer-Wähler in Österreich und die AfD-Wähler in Deutschland.

Die Probleme sind die gleichen in vielen Ländern und die Reaktionen der Menschen scheinen sich auch zu gleichen.  Deutschland muss aus dem Trump-Debakel lernen.  Von allen Nationen dieser Welt gehört Deutschland zu denjenigen, die sich einen Demagogen am wenigsten leisten können und die – mit den Erinnerungen an eine nicht allzu ferne Vergangenheit noch recht frisch – am härtesten kämpfen sollte um eine Wiederholung zu vermeiden!

Vergesst diejenigen nicht, über die die liberale Elite in den Städten wahlweise lacht oder die sie vergisst.  Macht nicht den gleichen Fehler, den wir Küsten-Kalifornier, New Yorker, Bostonians etc gemacht haben.  Denn wenn alle die protestwählen, die sich verarscht und vergessen fühlen, kann das komplett unerwartete passieren und man steht plötzlich mit einem unqualifizierten Populisten als politischem Führer da.

Nicht noch einmal!