Es hat mich keiner irgendwie angegriffen, aber trotzdem hab ich das Gefühl mich verteidigen zu müssen, gegen den Zeitgeist, die Vernunft und diejenigen, die am liebsten fast nichts in ihren Schränken oder der Garage hätten. Der Grund ist folgender: gestern hab ich mir endlich eingestanden, dass ich eine leidenschaftliche Sammlerin bin und dass sich das nicht ändern wird.alte Sachen

Nachdem ich also am Sonntag gut am Placerville Antikmarkt verkauft hab, hab ich am Montag und Dienstag aufgeräumt und mich über all die leeren Kisten gefreut, vor allem darüber, dass ich so viele Sammeltassen verkauft habe. Am Mittwoch bin ich dann zu einer Garagenauflösung gegangen und mit einer Kiste Sammeltassen zurückgekommen. Dazu noch ein Stapel alter LIFE Magazine über die Mondlandung, ein altes Geduldsspiel, ein bisschen anderes Porzellan, einer Chloroxflasche von 1932, einem alten Wasserhahn und noch ein paar Sachen. Ausserdem bin ich jetzt auf der Spezialliste von dem Wohnungsauflösungstypen, angeblich rufen die mich jetzt an, wenn es was besonderes gibt.

Mit einem Wort: das Chaos war wiederhergestellt und ich war zufrieden. 

Natürlich liege ich mit diesem Verhalten völlig neben dem Trend. Neben ist noch nicht einmal das richtige Wort, ich liege sammelmäßig in einem Anti-Universum zum momentanen Trend, der immer nur eins vorschreibt: alles hergeben, wegpacken, reduzierter skandinavischer Stil, nur nichts herumliegen haben.

Versteh ich ja, ich bin ja an sich auch eine grosse “weniger ist mehr” Verfechterin, vor allem wenn es um Dinge wie Sodamaschinen, Spielkonsolen, Spargeltöpfe, Espressomachinen und Stiletto-Schuhe geht. Kann mir alles gestohlen bleiben, brauch ich nicht, will ich nicht und das Wasser für den Tee mach ich mir nach wie vor mit einem Wasserkocher heiss, da brauch ich kein teueres Gerät für.

Alte Sachen sind aber was komplett anderes, so eine angefranste Zeitschrift von 1953 – kann ich nicht wegwerfen, eine Teetasse mit Sprung – ist doch noch schön und hat Charakter, nicht so wie das neue Zeug. Alte Knöpfe – fantastisch, alte Beschläge von Kommoden, nehm ich, alte Steif-Tiere – sowieso.  Ein einsames Untertellerchen mit Veilchenmuster: find ich viel spannender als eine Prada Handtasche. Wenn mir jemand das eine oder andere schenken würde, würde ich die Prada Handtasche nehmen, dann würde ich sie sofort verkaufen und mit dem Geld auf den Flohmarkt gehen, Untertellerchen kaufen. 

Dieses Verhalten ist, hmm, vielleicht nicht ganz normal. Ich geb’s ja zu. Wenn man ein bisschen nachliest über Sammeln und die Motivation dahinter kommt man schnell in Freund’sche Abgründe, in die ich mich hier nicht begeben möchte.  Vor allem aber wird beim Sammeln immer davon ausgegangen, dass man es auf ein bestimmtes Ding abgesehen hat: Briefmarken, Krokodilfiguren, Kaffeemilchdeckel. Dann gehts um Obsession, darum, dass man Ordnung ins Chaos der Welt bringen möchte, und das stimmt sicher auch, wenn man geduldig mit einer Pinzette kleine Papierschnipselchen, auch Briefmarken genannt, in Plastikhüllen sortiert. 

In meinem Fall ist es anderes herum, ich bring Chaos in was eigentlich eine geordnete Garage sein könnte und ich bin auch nicht so speziell beim Sammeln, ich nehm auch alten Schmuck und würde, wenn nur die Garage größer wäre, auch vor Möbeln nicht halt machen. Ich liebe einfach alte Dinge. Sie sind schön, oft aus guten Materialien in solider Arbeit gemacht und sie haben Charakter und Charm: der Charm des Imperfekten, was die Japaner Wabisabi nennen. Die Japaner haben voll recht, Perfektion ist langweilig, Imperfektion macht Dinge authentisch.

Damit sind wir, glaube ich, beim Kern der Sache. Ich neige stark dem Authentischen zu. Die Idee etwas zu kaufen, weil es alle haben, find ich absurd, as ist genau der Grund es nicht zu kaufen. Wenn ich hier auf Design-Webseiten lese, dass “Hotel-Chic” angesagt ist, also eine sterile, unpersönliche Art seine Wohnung so zu gestalten, wie man es von einem 5-Sterne Hotel erwarten würde kriege ich die Krise. Dann lieber Stapel von Schnittmustern aus den 60er Jahren, Star Trek-Figuren und eine Sammlung alter Laborglassbehälter in meinem Arbeitszimmer – auch wenn es dem Ideal skandinavischen Designs nicht entspricht. Aber es entspricht mir und meinem Wunsch mich mit schönen, alten authentischen Dingen zu umgeben.

So, jetzt geh ich die neuen Sammeltassen in die leeren Kisten packen. Sonst stehen sie ohnehin nur blöd leer rum.