Sprachverwirrung

So ähnlich sieht es in meinem Hirn manchmal aus – nur nicht so geordnet.  Sprachverwirrung!

Ich habe es lange für blöd und ziemlich affektiert gehalten, wenn ich Deutsche, die schon lange im Ausland leben, getroffen habe, die kein ordentliches Deutsch mehr sprachen, oder einen Akzent hatten oder irgendwelche Worte nicht mehr wussten.  “Die Muttersprache” so dachte ich “verlernt man doch nicht, das ist doch drin im Hirn und bleibt es auch.”

Jetzt ringe ich manchmal um Worte.

Ich weiss noch genau, wie wir vor Jahren auf einem Wochenendtrip nach San Luis Obispo einmal ein deutsches Paar getroffen haben, vielleicht war auch nur die Frau Deutsche, ich weiss es nicht mehr.  Sie erzählte jedenfalls, dass sie seit 40 Jahren in Kalifornien lebe und in der Nähe ein deutsche Lokal betreibe.  Sie erzählte das alles in einem Deutsch, dass keinen sehr starken aber doch deutlich erkennbaren Akzent hatte.  Sie war sehr nett und wir haben uns gut unterhalten aber im Nachhinein dachte ich dann doch “wie kann denn sowas passieren? Dass man seine Muttersprache nicht mehr ordentlich beherrscht? Das passiert mir nie und nimmer!”

So ca. 10 Jahre ging das auch gut aber jetzt nach fast 20 Jahren in den USA merke auch ich Verschleisserscheinungen.  Ich rede den ganzen Tag englisch, oft auch mit meinem österreichischen Mann (ich will jetzt nicht sagen, dass ich sein Englisch besser verstehe als sein Deutsch – aber die gemeinsame Sprache ist ja bekanntlich das, was die Österreicher und Deutschen trennt), der auch den ganzen Tag englisch spricht.  Auch mit meinem Sohn, der aus der Schule nach Hause kommt und den ganzen Tag nur englisch gesprochen hat und jetzt Hausaufgaben auf englisch macht spreche ich oft englisch. Natürlich wird zu Hause auch deutsch gesprochen aber oft von der gemischten Variante: “kannst Du mir mal den spoon geben” oder “I really don’t want Chinese food heute Abend, wie wär’s mit dem Sushi Boat place?”  Man nimmt automatisch das Wort, dass einem zuerst einfällt und glücklicherweise versteht es der andere ja auch in der Regel.

Sprachverwirrung 1: Füllphrasen sind das schlimmste Problem
Sprachverwirrung

Sprachverwirrung – immer wieder, wenn ich nach Konstanz komme

Das Problem mit der Sprachverwirrung geht dann richtig los, wenn ich nach Konstanz komme und nicht wie eine a) Amerikanerin oder b) ein arroganter Arsch klingen will.  Zum einen drängen sich ständig englische Füllphrasen auf. You know ist die berüchtigtste, da auch im Englischen völlig überstrapazierte.  Lose mit “weisst Du” übersetzt wird you know im englisch ständig und oft komplett ohne Sinn benützt, es ist ein anderes – etwas besseres – ähm, also etwas was man einschiebt, you know, wenn man eine kurze Überlegpause braucht oder um mit dem Gesprächspartner eine gemeinsame Basis zu schaffen und sich sie/ihn sozusagen rhetorisch ins Boot holen will.  Erst wenn ich  Konstanz bin fällt mir auf, wie oft ich das benütze, denn es rutscht mir öfter als einmal auch in Gesprächen mit meiner Mutter raus, was – you know – ziemlich doof ist.  Da das alles praktisch automatisch passiert ist es extrem schwierig diese Unart auszurotten.

Sprachverwirrung 2: mir fällt das Wort nicht ein, in keiner Sprache
Sprachverwirrung

Oft fühle ich mich so

Das sind dann die Momente, in denen ich mich komplett bescheuert fühle.  Neulich war wieder so ein Fall, ich sass mit ein paar Freundinnen und hab was erzählt.  Dann  komm ich an eine Stelle, an der ein bestimmt Wort geraucht wird, das mir in dem Moment überhaupt nicht einfallen will. Meist sind es Worte, die man eher selten braucht, z.B. Ritzel oder Teigschaber oder Inventur – solche Dinge.  Ich sass dann da und rang mit mir und die Mädels wollten helfen und sagten “sag’s doch einfach auf englisch, das verstehen wir dann schon.” Das Dumme war, mir fiel es auch auf englisch nicht ein.  Das Wort war weg, jedenfalls momentan und in meinem Kopf herrschte weniger eine Sprachverwirrung als völlige Leere.

Immer erinnere ich mich an das Wort – meist Stunden später, wenn es keinen mehr interessiert. Aber das ist ja immer so, wenn einem etwas nicht einfällt: wenn man nicht daran denkt taucht es plötzlich auf.

Ein gutes hat die ganze Geschichte natürlich auch: ich weiss dass ich mittlerweile komplett zweisprachig bin.  Ich träume auf englisch, ich denke auf englisch und schreibe auf englisch – das gleiche auch auf deutsch.  Manchmal – und das ist dann auch schon wieder peinlich – merke ich gar nicht, in welcher Sprache ich gerade bin.    Neulich habe ich hier z.B. einen halben Blog in englisch geschrieben, bevor es mir auffiel.  Den hab ich dann gelöscht und nochmal auf deutsch geschrieben.  Übersetzen tu ich meine eigenen Dinge/Gedanken/Ergüsse nicht, die schreib ich jeweils original in der Sprache, in der ich sie schreiben will.