VertrauenMein Sohn, das hab ich ja schon öfter angedeutet, ist für sein Alter ein recht abgeklärtes Kerlchen. Er war schon immer sehr logisch, schon als kleines Kind hat er im Prinzip alles mitgemacht und akzeptiert solange man es ihm vernünftig und logisch erklärt hat. Das fand ich schon immer toll, damit kann ich umgehen. Neuerdings, das heißt im Zeitalter von Trump, geht mir das allerdings fast ein bisschen zu weit.

Anlass dieses Blog ist seine gestrige Aussage “Ich habe keinerlei Vertrauen in die Menschheit”. Heute hat er nochmal nachgelegt “Ich möchte nie im Einzelhandel oder Service arbeiten, die Menschen würden mich zum Wahnsinn treiben.” Ich geb ihm ja recht, mich doch auch, aber ich bin ja ich ein paar Dekaden älter und hab mir diese Einstellung hart erarbeitet. Mit knapp 14 wären ein paar Illusionen ja noch ganz nett und angemessen. In dem Alter muss man doch noch an das Gute im Menschen glauben und daran, dass man die Welt ändern kann.

Natürlich habe ich meinen Teil dazu beigetragen, dass er so ist wie er ist, ich hätte im ja in der dritten Klasse nicht über Korruption aufklären müssen und ihm ehrliche Antworten auf unangenehme Fragen wie “Was ist ein Diktator?” geben müssen. Hab ich aber, fand ich wichtig, dass ich ihn nicht anlüge und alles wäre auch lange nicht so schlimm, wenn die Umwelt momentan nicht die kritischen und negativen (oder auch realistischen) Stimmen vielfach verstärken würde.  

Wie kann man mit 14 denn noch optimistisch und mit Vertrauen in die Zukunft schauen, wenn man von der einen Seite hört, dass der Mensch den Planeten zerstört und auf der anderen Seite die Politiker nichts dagegen tun, oder schlimmer noch, das wenige schon Getane wieder rückgängig machen. 

Wie kann er Vertrauen haben, wenn er weiss, dass er täglich angelogen wird. Wie kann er Vertrauen haben, wenn Politiker, also für uns halt Trump und seine Spiessgesellen, deutsche Politik tun wir uns in der Regel nicht auch noch an, routinemäßig ihre Wähler nach Strich und Faden verarschen und ausnehmen und die Idioten sich das auch noch freudig gefallen lassen und jubeln. Wie kann er Glauben in die Menschheit haben, wenn er sieht wie Fernsehprediger armen Menschen mit Heilsversprechungen das letzte Geld aus der Tasche ziehen, um sich ein Privatflugzeug kaufen zu können, und dann reihenweise beim Sex mit Jungs erwischt werden nachdem sie zuvor Homosexualität als Teufelszeug verschrien haben. 

Dumme gab’s schon immer, und Fernsehprediger solange es Fernseher gibt, davor waren es halt andere Prediger, aber was neu ist, zumindest in meiner Lebenszeit ist das systematische Lügen und Verarschen, die extreme Polarisierung in der praktisch kein Dialog mehr möglich ist und dazu noch periodisch und anfallsweise existentielle Bedrohungen. Trump hock gerade in Singapur und tut so als ob Kim Jong Un sein bester Freund wäre, aber noch vor ein paar Monaten war ein Nuklearkrieg mit Nordkorea keineswegs abwegig (ich hatte einen Notfallkoffer im schränk)  – und wer weiss, wie es in ein paar Monaten aussehen wird.  

So musste meine Generation nicht aufwachsen. Klar, da gab’s saueren Regen, Ozonlöcher und linken Terrorismus aber dann wurden die Haarspraydosen umgerüstet und das hat echt geholfen und der Angriff auf die Demokratie kam von aussen, von linken Terroristen, nicht innen, vom Staat selbst. Ob man die Politik und Politiker damals gut fand, oder nicht, oder sich nicht damit beschäftigt hat, irgendwie war doch trotzdem klar, das nicht alles übermorgen in Scherben liegen wird. Klar gab es Korruption auf hoher und höchster Ebene, aber der Staat schien fest, zumindest einige der Politiker schienen ehrlich und die Zukunft als Demokratie schien gesichert. 

Das ist für einen fast 14-jährigen Amerikaner heute nicht mehr so. Die Wahrscheinlichkeit, dass die USA aufhören eine Demokratie zu sein liegen deutlich über Null. Die Economist Intelligence Unit, nun nicht gerade als linke Knallköpfe bekannt, haben die USA jetzt schon zum zweiten Mal als “flawed democracy” (mängelbehaftete Demokratie) eingestuften, also so gut oder schlecht wie Indien, Südafrika, und, interessanterweise, Frankreich (mehr dazu hier).

Ich fürchte da wächst eine Generation heran, die sich entweder für nichts interessiert und nur eins gut kann, nämlich Computerspiele oder aber schon in jungen Jahren komplett desillusioniert ist.  

An die Konsequenzen in 20 oder 30 Jahren mag ich gar nicht denken.