Ich hab geschrieben und korrigiert und Kommas pfundweise gesetzt und nochmal überarbeitet und das alles geht jetzt schon viel zu lange. Jetzt kommt der nächste Schritt, ich muss den Kommissar Martin und seinen ersten Krimi-Fall aus der Hand geben. Erstmal nur meiner Lektorin – aber das löst schon Trennungsängste aus.
Was wenn der Max und sein Fall diesen ersten Test nicht mit fliegenden Fahnen besteht? Hab ich die Kraft/den Willen nochmal vieles umzuschreiben? Bring ich die kritische Distanz auf zu sagen “okay, das ist nicht gut, da hast Du recht, ich schreib das jetzt noch mal, ganz anders und viel besser” um es dann auch ganz anders und viel besser zu schreiben?
Erst gestern habe ich meinem Sohn einen Vortrag zum Thema Aufsatz überarbeiten gehalten. Sein erster Aufsatz für die Aufnahme in die Highschool war, na ja, okay, aber nichts Berühmtes. “Stell Dich daneben, les’ den Aufsatz, als wenn er von jemand anderem geschrieben worden wäre” hab ich gepredigt. Kann ich das? Ich hab das immer geglaubt, aber ist es wahr? Kann ich so distanziert sein, wenn es um meinen Max geht, nicht den Sohn, da geht das eh nicht, den Krimi-Kommissar?
Trennungsängste mit einem Buch?! Wie wird das erst wenn der Sohn mal hinaus in die Welt will, studieren in Toronto, ein Jahr in Buenos Aires, ein 3-monatiger Trip nach Afrika? Momentan will er Psychologie in Wien studieren – das geht noch, damit kann ich leben, obwohl mir Finanzmathematik an der Fachhochschule in Konstanz doch lieber wäre.
Irgendwie ist es seltsam mit dem Schreiben. Ich finde die Idee, dass das Buch von Leuten, die ich kenne gelesen wird nachgerade beängstigend, die unbekannte Leserschaft schreckt mich weniger. Das ist so, als ob man sich gut und gern vor 500 Leute hinstellt und einen Vortrag hält aber vor 20 kein Wort herausbringt. Irgendwie macht es auch wieder Sinn, 500 Leute sind eine amorphe Masse, 20 sind Individuen mit Gesichtern, deren Ausdrücke man lesen kann und – da bin ich mir sicher – jede Kritik und jeden Ansatz von Missfallen sofort sieht.
Der Kommissar Max tritt nun also in die nächste Phase seines Lebens ein und ich muss erstmal loslassen und dann vielleicht/hoffentlich nicht/höchstwahrscheinlich doch nochmal kräftig Hand anlegen und nachbessern. Und dann geht er hinaus in die Welt der Kommissar und ich muss ihm dabei helfen, die Krimi-lesende Welt auf ihn aufmerksam machen, ihn bewerben und den Weg ebnen.
Seit vielen Jahren bin ich zumindest mit einem Fuss im Marketing, ich hab schon Flachglas beworben, Kosmetik, Durchflusszytometer, professionelle Kameras, Massenspektrometer, Oberflächenchemie, französischen Käse, AIDS Tests und vieles mehr und in all diesen Fällen konnte ich da ganz logisch und organisiert zu Werke gehen. Aber mit dem Max sitze ich hier wie der sprichwörtliche Ochs am Berg (wer erinnert sich noch an das alte Kinderspiel?) und weiss mir nicht zu helfen. Weiß noch nichtmal richtig, wo ich anfangen soll.
Trennungsangst! Ich bin eben nicht sicher, dass ich ihn gehen lassen kann oder will. Ist der denn schon gross und gut genug? Kann er das, der Max, oder macht er sich lächerlich?
Es hilft alles nichts, irgendwann müssen sie beide gehen, der Kommissar Max und der Sohn Max und alles was sich tun kann ist sie und mich darauf vorbeireiten. Also ans Werk, gestern den Aufsatz mit dem Sohn, heute lernen, wie ich dem Kommissar einen guten Start verschaffen kann.