Vielleicht sind einige meiner Leser alt genug, sich noch an den Sperrmüll in
Konstanz zu erinnern. Zweimal jährlich war jedes Stadtviertel/jeder Bezirk damit dran dienstags (ich glaube es war dienstags) Sperrmüll vor die Türe zu stellen, der dann Mittwoch morgen abgeholt wurde. Das waren Zeiten …
Ich bin von Hause aus Sammlerin. Ist genetisch, ich muss Dinge mitnehmen, die herumstehen oder liegen und die man gebrauchen kann. Da bin ich ganz ein Teil der Kriegsenkel-Generation, die mit Geschichten von Not und Entbehrung, die Eltern und Grosseltern durchzustehen hatten, aufgewachsen ist und bei jeder leeren Flasche denkt: da könnte man doch eine Vase draus machen und in jeder Euro-Pallete einen potentiellen Couchtisch sieht.
Ausserdem macht es soviel mehr Spass etwas zu finden, als in den Laden zu gehen und es zu kaufen. Ich weiss, dass viele das nicht verstehen, aber Sperrmüll war für mich ein Feiertag.
Früher bin ich jeden Dienstag losgezogen, mal allein, mal mit einer Freundin, um den Sperrmüll nach Schätzen zu durchsuchen, die ich dann am Flohmarkt verhökert hab. Ausser Migros an der Kasse, war der Sperrmüll-Flohmarkt meine Haupteinnahmequelle in der Oberstufe und der frühen Phase meines Studiums. Ich hatte einen alten Rucksack und mein Fahrrad mit Koerble hinten drauf. Da musste alles rein. Und was da reinging!
Sperrmüll mit Rucksack
Es war der Rucksack, mit dem ich meine Mutter fast in den Wahnsinn getrieben habe. Es war ein altes Stück, sehr alt, so 50ziger Jahre alt. Ich fand ihn cool, meine Mutter fand’s ober-peinlich. Es erinnerte sie an irgendeine alte Tante/Grosstante, die mit einem ähnliche Stück unterwegs war, in den schlechten Zeiten und das war nicht mehr zeitgemäß. Ich fand, dass der Rucksack super zum Sperrmüll passte und ausserdem war es der größte, den ich hatte. Heute verstehe ich, dass sich meine Mutter für mich fremdgeschämt hat. Das geht mir jetzt auch so, wenn der Bub mal wieder in schwarzen Shorts, dunkelblauem T-shirt und grauen Socken auftaucht und das für den Höhepunkt der Mode hält. Oder noch schlimmer, sagt, dass es ihm sowieso am Arsch vorbeigehe, was der Rest der Menschheit über seine Klamotten denke.
Genau das habe ich damals über den Rucksack gesagt und bin losgezogen, trotz des Protests meiner Mutter.
Werkstoffhof ist kein Ersatz für Sperrmüll
Sperrmüll gibt es schon lange nicht mehr. Es war ein trauriger Tag, als er abgeschafft wurde. Diese ganze Wertstoffhof-Geschichte ist doch nicht dasselbe für eine Sammlerin. Da gehen doch erstmal die Angestellten dort durch und was dann noch übrig bleibt kann man sich vom Regal holen. Nix mehr mit Kisten durchwühlen und Schätze zu Tage fördern – ist ja wie im Laden.
Sperrmüll in Kalifornien
So, jetzt zum Thema, warum ich heute in alten Erinnerungen schwelge. Hier in Sunnyvale ist nichts mit Sperrmüll, man kann so einmal im Jahr die Stadtwerke anrufen, die kommen dann extra um den grossen Müll abzuholen. Ich dachte, dass sei hier überall so.
Bis heute!
Ich hab mal wieder Mama-Taxi spielen müssen und den Buben samt Freund wohin gefahren. Wir tuckerten so durch die Straßen von Santa Clara, als mir Häufen am Strassenrand auffielen. Das gibt Ärger, dachte ich mir. Aber es waren viele Häufen und weit und breit kein Ärger in Sicht. Mit Mühe habe ich die Augen auf die Strasse gerichtet, die Jungs abgeliefert, bin ins Auto gesprungen und hab die Häufen angefahren. Oh, wunderbare Sperrmüll-Tage, so unverhofft zurück!
Meistens war es einfach nur Müll. Aber an einem Haufen habe ich einen grossen Spiegel mit Holzrand gefunden und der zweite war ganz wie in den alten Tagen: irgendjemand hat geräumt und einfach ganze Kisten unbesehen auf die Strasse gestellt. Schändlich wirklich. Ich bin abgezogen mit ca. 2 Duzend Schallplatten, neuen Bestecken und Käsemessern, etwas Weihnachtsdeko, was so ca. das allerallerletzte ist, was ich brauchen kann. Dann genug Klarsichtfolien und Plastikhüllen für Papier für ein bis zwei Lebenszeiten (total neu, nix schon mal geraucht und noch okay, neu!), eine Puppe, zwei Vasen, eine grosses Gartentopf-Teil, leider mit einer Macke, die ich zu spät entdeckt habe, zwei Dosen, die flohmarkttauglich sind, und einem Poster von Audrey Hepburn in Breakfast bei Tiffany. Das wer ich wohl wegtun, ist nicht mehr so toll. Die Gläser, Bücher und noch mehr Weihnachtsdeko hab ich liegen lassen, man kann ja nicht alles
mitnehmen.
Der letzte Haufen – ich hab mich echt zusammengerissen – ergab dann noch so 10 Puzzles in gutem Zustand für ca. 3 jährige. Hab schon einen Bekannten angeschrieben, der mit Pflegekindern arbeitet. Vielleicht kann der die brauchen.
Ich musste mich mal wieder über die Menschen ärgern, die komplette neue Dinge einfach auf dem Müll werfen. Hier kann man die einfach loswerden and jemand, der sie noch brauchen kann. Aber nein, einfach auf die Müllkippe.
Aber es war schön mal wieder ein bisschen an den guten alten Sperrmüll erinnert zu werden.