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Eine Konstanzerin in Kalifornien

Peak Valley

Das Silicon Valley wird gerne, häufig und von allen möglichen Leuten totgesagt: zu teuer, zu sehr mit sich selbst beschäftigt, zu abgehoben, zu viele typisch kalifornischen Regeln und Verbote. Wir haben anscheinend “Peak Valley” erreicht. Das geht schon eine Weile so, aber ich sag euch Leute, Silicon Valley wird nicht so schnell den Löffel abgeben!

Peak Valley

Die letzten, die sich zu dem Thema äussern sind die Jungs und Mädels bei “Economist”, sie erklären “Peak Valley”. Das word “peak” also Gipfel wird benützt, um anzuzeigen, dass etwas den Gipfel erreicht hat und dann – würde Hildegard Knef sagen: “von nun an ging’s bergab”. Wir hatten Peak Öl, jedenfalls hoffentlich, und danach wurde der Begriff zur neusten sprachlichen Mode und alles war plötzlich peak, von Reisen (peak travel) über Brot (peak bread) zu Stars (peak Beyonce) und vieles mehr (hier ein Artikel im Guardian zu dem Thema).

Zurück zu Peak Valley – sicher irgendwas “peaked” immer, auch hier. Ich wünschte wir hätte “Peak Verkehr”, aber das glaube ich ehrlich gesagt nicht, das wäre zu schön, wenn es von nun an besser würde. “Peak Lebenshaltungskosten” wäre auch nicht schlecht und beide zusammen wären spektakulär. Man kann ja träumen!

Natürlich ist was dran an der Geschichte, ich bin ja selbst immer am Motzen über die Bay Area und speziell Silicon Valley und ehrlich gesagt, würde ich wegziehen, wenn es denn eine vernünftige Alternative gäbe. Und da genau, liegt das Problem: die vernünftige Alternative. Zu vieles bindet uns hier, nicht nur die Arbeit, unser Haus, die Schule von unserem Sohn (welcher Teenager will schon freiwillig umziehen), das Wetter (das ist ein wichtiger Faktor) und all die anderen kleinen Dinge des Lebens, die uns hier halten. Und wo sollen wir auch hin? New York – nicht besser! Boston – das ging schon, wenn die Winter nicht wären. Seattle – zu viel Regen und der Verkehr ist auch Scheisse. Irgendwo, wo es billig ist: zu viele Trumpers, in einen erzkonservativen Staat kann man als Demokrat nicht ziehen. Ohne Scheiss, das geht nicht, da wäre man sozial völlig isoliert, vor allem wenn man, wie wir, die Frage “in welche Kirche geht ihr?” nur mit einem ungläubigen Glotzen beantworten würde. 

Abwanderung aus der Bay Area – Peak Valley?

Deshalb nehm ich auch solche Aussagen wie “46% der Bewohner der Bay Area sagen, dass sie in ‘den nächsten Jahren’ wegziehen wollen” nicht ernst. Sagen tu ich dass schon lange und werde es auch weiterhin sagen, tun werde ich es wohl kaum so schnell und ich kenne jede Menge anderer, die über wegziehen reden und philosophieren und immer noch hier sind. Wegziehen tun vor allem Leute, die in Pension gehen. Klar, verstehe ich, wenn man hier ein kleines Häuschen verkauft, kann man sich woanders eine Ranch kaufen, oder ein Schlösschen, vielleicht sogar ein Schloss.

Peak ValleyDas Teil auf dem Bild, z.B. wäre durchaus finanzierbar, wenn man ein Bay Area Haus verkauft. Die Renovierungs- und Unterhaltskosten lassen wir mal aussen vor. Dass Pensionäre das Weite suchen, ist also kein Wunder. Es stimmt schon, die Bay Area hat im letzten Jahr etwas bislang praktisch Unbekanntes erlebt: negatives Bevölkerungswachstum, wie man so schön sagt. Mehr Leute zogen weg, als hergezogen sind. Kann ja mal passieren. Aber gleich Peak Valley?

Risiko und Gegenleistung

Ein anderes Argument, warum es mit Silicon Valley bergab gehen wird, finde ich viel überzeugender. Traditionell hat es hier von kleinen Firmen gewimmelt. Google war “klein” als ich hier her zog und war noch nicht an der Börse. Für eine kleine, neue Firma zu arbeiten ist riskant und man verdient oft weniger, als bei einer grossen, etablierten. Das nimmt kann in Kauf, weil man hofft und glaubt (in meinem Fall leider fälschlich), dass das kleine Ding irgendwann an die Börse geht und die ganzen Optionen, die man im Laufe der Jahre eingeheimst hat plötzlich Millionen wert sind. So ging’s einem Freund von mir, der bei Google ca. 2001 angefangen hat. Bei den Grossen war’s ordentlich bezahlt, langweilig und sicher, bei den Kleinen chaotisch, weniger gut bezahlt mit der Riesenkarotte des schnellen Reichtums. 

Mittlerweile zahlen die Grossen so gut und machen einem das Leben so schön, mit all den Jogastunden, verschiedenen Cafeterias, Tischfussballtische und angewärmten Klobrillen (echt jetzt, Goggle hat die, was das in Kalifornien bringt weiss ich nicht), dass man sich wirklich fragen muss, ob das Risiko einer kleinen Firma es wert ist. Das Risiko ist groß, die Lebenshaltungskosten hoch, da nimmt man lieber den sichern und gut bezahlten Job bei Apple anstatt bei NeueKleineFirma jahrelang zu schuften und dann geht alles den Bach runter. Dieses Abwandern von Arbeitnehmern von Jungunternehmen hin zu etablierten Giganten ist eine viel bedenklichere Sache, als die Leute, die nach Bend, Orgeon ziehen, um ihre Ruhe zu haben (was sie da auch nicht mehr haben, denn so viele aus der Bay Area leben mittlerweile dort). So finden kleine Unternehmen keine hochqualifizierten Arbeitskräfte mehr. und wandern ab.

Trotzdem, um es mit meinem alten Mathelehrer zu sagen: “Kinners, so schnell schiessen die Preussen nicht” und Silicon Valley ist noch lange nicht überholt oder tot!

 

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