Alle 4 Jahre wieder wird der Präsident gewählt aber zusätzlich gibt es jede Menge anderer Entscheidungen zu treffen. Wahlen in Kalifornien sind sehr aufwändig – der Preis eines Systems das Volksabstimmungen sehr ernst nimmt.
Neulich kann die Wählerinformations-Broschüre hier an: 220 Seiten geballter Information über die verschiedenen Fragen die das Kalifornische Wahlvolk am 8. November zu entscheiden hat.
Dieses Jahr entscheiden wir über:
- Den Präsidenten/die Präsidentin
- einen Senator/Senatorin
- Unsere lokale Repräsentatoren
- Jede Menge von Gesetzesvorschläge, die in Kalifornien vom Volk direkt entschieden werden. Das sind wir ein bisschen so wie die Schweiz. Das schliesst solche ein, die für den ganzen Staat relevant sind aber auch regionale und lokale.
Das klingt alles toll, und ist es auch, wenn man Zeit hat, sich mit den ganzen Fragen zu beschäftigen. Das braucht echtes Engagement. Wahlen in Kalifornien sind echt Arbeit! wer gerne selbst nachlesen möchte: hier ist der Link.
Ballot prepositions
Die Gesetzesvorschläge, die zur Wahl stehen nennt man Ballot Propositions – also sowas wie Wahl-Vorschläge und wie immer gibt es für alle Vor- und Nachteile und für alle Befürworter und Gegner. So weit so gut und auch nicht unerwartet. Was das Ganze schwierig macht ist dass es auch Wahlkampagnen für die einzelnen Vorschläge gibt und wie immer bei solchen Sachen wird da die Wahrheit verbogen und verdreht was das Zeug hält und man muss aufpassen, dass man nicht im Endeffekt für etwas wählt, wenn man eigentlich das Gegenteil wollte.
Ballot Propositions können von jeden gemacht werden, der/diejenige, der einen Vorschlag machen will muss momentan um die 365,000 Unterschriften sammeln, die den Vorschlag unterstützen. Wenn das geschafft ist, komm der Vorschlag zur Wahl.
Ein Beispiel: Plastiktüten
In einzelnen Bezirken, z.B. in San Francisco und auch hier in Santa Clara oder zumindest in Sunnyvale sind diese widerlichen Einmal-Plastiktüten schon seit längerer Zeit verboten. Erst als das mögliche Ende der Zivilisation wie wir sie kennen verschrieen, hat sich herausgestellt, dass der durchschnittliche Einkäufer durchaus in der Lange ist, ein Einkaufstasche mitzubringen. Wenn nicht, machen 10 Cent für eine Papiertüte den Kohl auch nicht fett, speziell wenn man im Auge behält, dass ein Becher Joghurt schon $5.00 kostet.
So, jetzt haben wir dieses Jahr gleich zwei dieser Wahl-Vorschläge, über die wir entscheiden müssen und die mit Plastiktüten zu tun haben. Wenden wir uns zuerst Vorschlag 65 zu: der besagt, dass alles Geld, das Läden durch den Verkauf von Papiertüten einnehmen einem Umweltzweck zugeführt werden müssen.
Klingt gut, oder? Dachte ich auch, bis ich einen Bericht darüber gehört hab und mich mehr mit der Sache beschäftigt hab. Zuerst stutzt man, wenn man liest, dass das Geld für die “Ja für 65” Kampagne von grossen Plastikfirmen in anderen Staaten kommt. Vielleicht denkt man jetzt noch “Toll, die haben endlich die Umwelt entdeckt”. Leider ist man, wenn man so alt ist wie ich, desillusioniert was solche Wendungen zum Guten angeht und gräbt dann nach.
Prop 65 und/oder Prop 67
Man findet dann folgendes: erstens verdienen die meisten Läden nichts an den Tüten, in vielen Fällen kosten die sogar mehr als 10 Cent. In der Formulierung von Prop (Abkürzung für Proposition) 65 ist nicht von Profit an Papiertüten die Rede, sondern von Einnahmen – ein wichtiger Unterschied. Prop 65 ist einzig und allein dafür da, die Wähler zu verwirren. Wenn man sich nicht vorher mit der Sache beschäftigt liest man “all das viele Geld für Papiertaschen soll in die Umwelt gesteckt werden und nicht den gierigen Händlern gegeben werden”. Super, denkt man, das unterstütze ich.
Dann kommt man zu Prop 66, die sich mit dem Thema Todesstrafe beschäftigt – auch nicht gerade leichte Kost – und danach zu Prop 67. Prop 67 ist einfach: komplettes Verbot von Einweg-Plastiktaschen. “Häh?” denkt man “jetzt, ich hab doch eben schon abgestimmt, dass die Papiertüten verkaufen sollen und das Geld für die Umwelt benutzt werden soll, was soll ich jetzt nochmal darüber abstimmen?” In solchen Fällen wählt der durchschnittliche Mensch die Nein-Option. Das haben Jahre der direkten Demokratie gezeigt, wenn Leute nicht wissen, was sie tun sollen sind sie geneigt den momentanen Zustand aufrecht zu erhalten.
Genau das wollen die Plastikfirmen: kein generelles Verbot von Plastiktüten und es für Läden teuer machen Papier anzubieten!
Fies, oder? Und vor allem so verschachtelt, dass man echt ein paar Anläufe braucht, bis man es kapiert. Unsere Lokale Zeitung hier hat Prop 65 als den hinterlistigsten Wahlvorschlag in der Geschichte des Staates Kalifornien bezeichnet. Nun glaub ich nicht alles, was die Zeitungen sagen, aber das ist schon ganz schön heftig.
Wahlen in Kalifornien – Da kommen viele nicht mit
In der Wähler-Broschüre haben sie ein 2 x 2 Diagram gezeichnet, um die Optionen zu verdeutlichen. Ich versteht das jetzt, aber ich kann es jemandem, der zwei Jobs arbeitet und Kinder zu versorgen hat und vielleicht nicht so gut Englisch spricht und keinen MBA hat nicht verdenken, wenn er/sie da nicht durchkommt und die falsche Entscheidung trifft.
Und genau das war ja auch das Ziel der Plastikfirmen.
Abkürzung zur Urteilsbildung
Hier ist die anerkannte Abkürzung zur Urteilsfindung, wenn man nicht alles lesen kann: man versucht herauszufinden, wer einen Prop finanziell unterstützt (auch nicht immer einfach und schnell). Wenn eine Prop von Texanischen Ölfilmen, Plastikfirmen aus Illinois oder den grossen Pharmaunternehmen stark subventioniert wird weiss man in der Regel, dass man dagegen stimmen muss (und umgekehrt, wenn die viel Geld ausgeben etwas zu bekämpfen muss man dafür stimmen.) Auch das ist nicht immer einfach und klappt auch nicht immer, aber man kann sich das Leben währen der Wahlen in Kalifornien doch etwas leichter manchen.
Wie ich über Prop 65 und 67 abstimme weiss ich jetzt, was ich allerdings zum Thema Kondom-Pflicht für Pornostars mache (das ist jetzt kein Witz, das ist Prop 60) weiss ich nicht nicht so genau. Wird das von den Gummiherstellern oder von Ärzten unterstützt? Das muss ich noch herausfinden.