Am Ende des Monats läuft planmässig nach 10 Jahren, allerdings trotzdem ganz unerwartet, mein Führerschein ab. Schon im Januar erhielt ich einen Brief, dass ich zum Augentest antreten muss. Da ich den Ruf der Kaftfahrzeugbehörde, hier DMV also Departement of Motor Vehicles, genannt kenne und der nicht gut ist, wenn’s um schnelle Termine und Effizienz geht hab ich dann auch schon im Januar am Internet einen Termin gemacht. Heute ist es soweit.
Zuerst muss ich kurz zurück blenden auf gestern. Da fiel mir nämlich auf, dass ich mir nicht aufgeschrieben hatte, bei welcher DMV Niederlassung, hier in Santa Clara oder in Mountain View, ich denn meine Glubscher testen lassen soll. Was soll’s dachte ich, ich hab ja meine Bestätigung plus Nummer, da schau ich mal schnell ins Internet-System rein und hol’ mir die Info.
Erst war das System nicht funktionsfähig, irgendwelche technischen Probleme. Nicht so schlimm, ich bin ja geduldig (na ja, ein bisschen schon) und so habe ich es drei Stunden später einfach nochmal probiert. Oh Wunder, oh Freude, drei Boxen zum Eingeben von Vorname, Nachname und Telefonnummer. Oh Scheisse, hab ich meinen vollen Vornamen angegeben oder die gängige Abkürzung, den Festanschluss zu Hause, den fürs Büro oder doch das Handy? Und warum fragt mich keiner nach der vermaledeiten Bestätigungsnummer, die müßte doch eindeutig sein?
Es blieb mir also nichts anderes übrig als sämtlichen Variationen auszuprobieren, sind ja nur 6, geht noch. Aber leider: keine der sechs Variationen war erfolgreich, mein Termin wurde nicht gefunden. Also nochmal, vielleicht hab ich mich ja vertippt – sechsmal. Nichts! Mittlerweile war es 17:01 und mein Versuch die angegebene Telefonnummer anzurufen scheiterte and den “üblichen Bürozeiten” – zwischen 8:00 und 17:00 Uhr.
Also heute morgen frisch ans Werk. Ich wähle die 800-Nummer kämpfe mich durch die Optionen bis es mir irgendwann zu blöd wird und ich nur noch unwirsch “Operator” ins Telefon schreie. Die gleichbleibend freundliche elektronische Stimme am anderen Ende versichert mir dann auch, dass ich durchaus gehört worden bin und dass es sich jetzt nur noch um 40 bis 49 Minuten handelt, bis ich mit jemandem sprechen kann. Ich sehe mich schon mit dem blöden Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt durch die Wohnung tigern oder das Ding auf laut mit mir herumzuschleppen (der Kopfhörer ist mal wieder in der Höhle, auch Kinderzimmer genannt, verschwunden) und mir irgendwelche abartige Musik anzuhören. Dann kommt der rettende Vorschlag, sie werden zurückrufen und ich behalte den Platz in der Schlange. Okay, klingt gut aber funktioniert das auch? Da mir die Telefon-Schulter-Ohr-Klemmerei eindeutig zu blöd ist versuche ich es und bin überrascht, dass mich Doug, Agent 017001, auch tatsächlich nach so ca. 40 Minuten anruft. Doug und ich verplaudern die nächste halbe Stunde mit so Dingen wie “Kannst Du deine Telefonnummer nochmal wiederholen?” “Wie war die andere doch gleich?” “Nein, immer noch nichts!” “Das System ist neu und hat Probleme!” Ha, wer hätte das gedacht?
Doug macht dann einen neuen Termin für mich, Anfang April und bei einem DMV ca. eine Stunde Fahrt entfernt, statt der 10 Minuten zum hiesigen. Was anderes war “auf die Schnelle” nicht zu ergattern.
Mittlerweile reift in mir ein Plan heran: wenn die das nicht finden können, kann ich, bestimmt, unschuldig und freundlich auftretend vielleicht den unfindbaren Termin einfach wahrnehmen. Was brauch ich schon mehr als eine gute Portion Scheinheiligkeit, und die ist mir ja in die Wiege gelegt worden (gell, Dad!).
Also hab ich mich 20 Minuten zu früh auf den Weg gemacht bewaffnet mit: Laptop, iPad, iPhone, einem Buch und einer Zeitschrift. Im Rausgehen hab ich mir nich ein Fläschchen Wasser eingepackt. Man weiß ja nie! Im Kopf hörte ich die Stimme von Captain Janeway von Voyager “Battle Stations!”
Kurz darauf fuhr ich in den DMV Parkplatz ein und wäre fast rückwärts wieder raus, aber es war eine Einbahnstraße, also nein. Die Menschenschlange reichte aus dem Gebäude heraus und um die erste Ecke. Allerdings gab es eine zweite, nicht existente Schlange für Menschen mit Termin. Also mich. Zwei ausgefüllte Formulare später wiederholte sich das Gespräch von heute morgen, aber live: “Kannst Du deine Telefonnummer nochmal wiederholen?” “Wie war die andere doch gleich?” “Ich kann Dich nicht finden!” Da ich so gut vorbereitet war, eine siebenstellig Nummer hatte und freundlich lächelte wurde dann beschlossen, dass sie jetzt einfach schnell den Termin für mich einträgt. Ich bekam eine Nummer und wurde angewiesen zu warten. Runde 1 überstanden! Ich setzte mich auf ziemlich den letzten der 30 oder so Stühle und wollte gerade das Laptop rausholen und einen Roman anfangen, als meine Nummer aufgerufen wurde. Ich hab’s erst gar nicht mitbekommen, denn wer hätte das gedacht.
Station 1: Sehtest. Die Tafeln hing 3 Meter entfernt und sogar ich, vor allem mit einem frischen Satz Kontaktlinsen, konnte alles einwandfrei lesen. Dabei hatte ich extra die 5. Zeile des Sehtests, den mein Sohn neulich beim Arzt machte und die ich nicht mehr lesen konnte, auswendig gelernt – falls die Karten normiert sind. Dann musste ich $35 zahlen und musste Bildchen machen gehen. Auch das war in 5 Minuten über die Bühne. Ich ich stand keine halbe Stunde nach meinem Eintreffen wieder bei meinem Auto. Die Frau, die vorher am Ende der Schlange war, war noch immer nicht ins Gebäude vorgedrungen.
Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht so genau, was ich von der ganzen Erfahrung halten soll. Der ganze Prozess ist unglaublich ineffizient und das System ein Witz. Wie neu es tatsächlich ist, ist eine andere Frage: neu oder DMV neu – das sind zwei sehr verschiedene Dinge. Aber mir hat es geholfen, denn so hab ich einen Termin beim hiesigen DMV bekommen, auch wenn die Chance ca. 50% war, das mein Termin eigentlich bei einer anderen Niederlassung war.
Aber das Wichtigste ist: jetzt ist erstmal wieder für 10 Jahre Ruhe!