Hier in den USA geht es ja in der Regel weniger formell zu als in Deutschland. Zu dem Thema hab ich mich ja schon hier ausgelassen. Dass man überall mit Vornamen angeredet wird ist eine Sache, die Kosenamen sind nochmal was anderes. Daran muss man sich gewöhnen.
Die “cat lady” auf dem Flohmarkt nennt mich immer sweet-heart, die Frau, die Stoffe für einen Dollar pro Yard verkauft meist honey aber auch alle anderen Kosenamen rauf und runter. Und zwar nicht nur einmal, sondern ständig.
“Hallo Honey, schöner Tag heute.”
“Ja, zum Glück regnet es heute nicht.”
“Da hast Du recht, Darling. Was brauchst Du heute, Sweet-heart?”
“Hast Du Schrägband dabei, ich bräuchte drei Yard in schwarz.”
“Lass mich schauen, Sweety, ich glaub ich hab was im Wagen. Warte eine Momentchen, Darling. Ja schau hier, Honey. Drei Yard, richtig, Sweet-Heart?”
Und so weiter und so fort. Das mit den Kosenamen ist nicht auf leicht verrückte Flohmarktverkäufer und ihre nicht weniger leicht verrückten Käufer beschränkt, man kann das durchaus beim Zahnarzt – wenn’s ganz schlimm kommt auch beim Frauenarzt – erleben, oder hin und wieder in einem Laden.
Kosenamen beim Zahnarzt
Ich muss mir dann oft einen bissigen Kommentar verkneifen wenn die Zahnarzthelferin mich – gefährlich aussehende Werkzeuge in der Hand – mit “there you go, honey” in den Behandlungsstuhl komplimentiert und dann sagt “open wide, darling!“. Ich will dann immer sagen “ich bin schon ganz gross und erwachsen und muss nicht wie ein Kleinkind angeredet werden” . Ich lass es dann aber immer, sie meinen es ja nett und denken vermutlich, dass man dann weniger Angst vor den gefährlich aussehenden Werkzeugen hat. Stimmt natürlich nicht, denn dann denke ich erst recht, dass die jetzt gleich was Schreckliches tut und mich in falscher Sicherheit lullen will.
Mit meinem Sohn machen sie genau das gleiche und der ist jetzt gerade in einem Alter, wo er sich so gar nicht wie ein Honey oder Sweet-Heart oder sonstwas Niedliches fühlen will, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Er ist ausserdem in dem Alter, wo er noch nicht gelernt hat höflich den Schnabel zu halten. Er platzt immer gleich mit allem heraus. Ich lebe also bei jedem der recht häufigen Zahnarztbesuchen in letzter Zeit (Zahnspangenzeit) in Angst und Schrecken, dass er eine der netten Helferinnen aus tödlichste beleidigt in dem er in scharfem Ton den nett gemeinten Kosenamen als Bekleidung seiner männlichen Ehre zurückweist.
So viel ich weiss, ist es meinem Mann noch nicht passiert, aber der geht auch nicht mit zum Flohmarkt und zum Zahnarzt begleite ich ihn nicht. Es scheint sich bei dem Phänomen in erster Linie eine Frau-zu-Frau und Frau-zu-Kind Geschichte zu handeln. Ein Mann, der einen anderen Darling nennt impliziert etwas anderes als beruhigendes Gerede vor dem Bohren.
Das mit den Kosenamen ist gewöhungsbedürftig – wie vieles hier, aber, wie gesagt, lieb gemeint. Da kann man eigentlich nicht böse sein.