Heute mal was Leichtes zum Thema Mode – oder eben der Mangel an Modebewusstsein und auch manchmal Vernunft. Nirgends kann man das so gut beobachten wie im Winter in Kalifornien, wenn die Shorts-Träger unterwegs sind.
Wer Boston kennt, weiss dass die Sommer heiss und schwuel und die Winter kalt und verschneit sind. Jedenfalls waren sie das, als ich noch dort wohnte (also vor einer langen, langen Zeit). Damals schon hab ich mich in der kalten Jahreszeit immer wieder über die Kalifornier unter meinen Kommilitonen gewundert: ich kam in langer Hose, Strumpfhose drunter, T-shirt, Pullover, Daunenjacke, Schal und Handschuhen, die Kalifornier traten in Shorts an. Im November!
Klar es war oft sonnig draussen und so hätte man von drinnen denken können, dass es ein schöner warmer Novembertag ist. War es vermutlich auch in Los Angeles. Aber in Boston war es ein schöner, eiskalter Novembertag. Den Fehler, da in Shorts aus dem Haus zu gehen macht man doch nur einmal. Dachte ich – fälschlicherweise.
Manchmal ist es auch hier saukalt – mann traegt trotzdem shorts
Shorts und Nachtfrost, das verträgt sich nicht so ganz
Neulich war es hier mal so richtig kalt. Es gab einen Nachtfrost und ich musste mit meiner ältesten Kreditkarten die Autoscheibe freikratzen. Mein Sohn, der im Familienkreis auch oft als “Atomkraftwerk” bezeichnet wird, weil er immer so viel Hitze ausstrahlt, sass zitternd mit Strickmütze von Oma bis über die Augenbrauen gezogen in seiner Daunenjacke neben mir im Auto und hat versucht mir meine Handschuhe abzuluchsen. Die Heizung lief auf höchster Stufe und ich hab mal wieder das Cabrio verflucht, weil die Sitzheizung (schon wieder, immer noch?) kaputt ist.
Wir haben es überlebt, sogar ganz gut aber ich wollte zum Ausdruck bringen wie kalt es war. Wie wir also so zitternd Richtung Schule düsen sehe ich doch: Kinder in Shorts auf Fahrrädern. Bei Null Grad. Dass die 12-Jährigen sich nichts denken ist schon klar, aber was denken sich die Eltern, wenn sie ihre 12-Jährigen in Shorts in den Raureif lassen? Die Antwort – nämlich: nichts – kam mir dann als ich anschliessend zum Einkaufen bin. Hinter der Kasse, in unmittelbarer Nähe zur Schiebetür, die alle 3 Sekunden aufgeht und einen Schwall kalte Luft hineinlässt stand ein Kassierer, rieb sich die Hände, trat auf der Stelle und – hatte Shorts an.
Einen Tag später – es war mittlerweile mollig warm bei so ca. 2 Grad – sah ich einen Menschen den Rasen nähen – in Shorts. Auch ein Freund meines Sohnes lief hier in Shorts ein. Als ich ihn fragte, ob ihm denn nicht kalt sei, schaute er mich an, als ob ich jetzt gerade etwas völlig unverständliches gesagt hätte. Unverständlich nicht in dem Sinne von “Natürlich ist mir nicht kalt bei dem schönen Wetter” sondern unverständlich eher in dem Sinne “über diese Frage habe ich noch nie nachgedacht”.
Es scheint ein fast ausschliesslich männliches Problem zu sein. Es gibt hier Männer/Jungs, die anscheinend keine andere Beinbekleidung haben als Shorts. da wird dann auch nicht nachgedacht. Man trägt Shorts, immer und bei allen Anlässen (die Erwachsenen haben vielleicht noch irgendwo eine recht eng gewordene Anzughose von der Hochzeit irgendeiner Cousine) und das ist es, da scheint dann das Wetter keine Rolle zu spielen.
Die Mädels sind vernünftiger, die ziehen mindestens Yoga-Hosen an.
Yogahosen immer und überall muss auch nicht sein. Bild Quelle
Ich bin sie ehrlich satt, diese meist schlabberigen Shorts mit den noch schlabberigen T-shirts darüber. Im Sommer, im Restaurant, im Herbst, beim Einkaufen, im Winter, bei der Gartenarbeit und der Gartenparty – bei allen und jeden Anlässen. Bequemlichkeit ist doch nicht alles, ein bisschen gesunder Menschenverstand wäre manchmal auch nicht schlecht.
Von Yoga-Hosen bei allen Anlässen hab ich im übrigen auch genug, aber mindestens frier ich da nicht beim Hingucken.