Es gibt Worte, die – einfach und oberflächlich – dennoch eine Lebensart, vielleicht sogar eine Kultur beschreiben können. Ich hab da ein deutsches – Gemütlichkeit und zwei englische Worte – comfort und wholesome – im Kopf.
Gemütlichkeit
Fangen wir mal mit den deutschen an, etwas klischeehaft ist das für mich “Gemütlichkeit”. Ich weiss natürlich, dass es übertrieben und vereinfacht ist zu sagen das Deutschland umfassend mit dem Begriff Gemütlichkeit zu beschreiben. Vielleicht passt es auch heute nicht mehr. Als ich noch in Deutschland lebte fand ich allerdings, dass es mehr Gemütlichkeit gab, als mir lieb war. Ich war damals natürlich noch deutlich jünger und hatte noch mehr Energie als jetzt und hab das Konzept von Gemütlichkeit gehasst. Für mich drückte es alles aus, was ich an Deutschland nicht leiden konnte: holzvertäfelte Stuben oder Kleingarten-Hütten in denen man stundenlang auf Bänken sitzt und Bier trinkt, ewig lange Kaffeeklatschereien, zu weiche Sofas auf denen man zu viele Stunden verbringt, Eckbänke mit Karomuster und Häkeldeckchen, kurz alles was ich als langweilig, langsam, altmodisch empfand.
“Ich hasse Gemütlichkeit!”, war mein Schlachtruf damals und einer der Gründe, dass es mir in den USA von Anfang an so gut gefiel, war, dass da nichts gemütlich war, mit Ausnahme meines Bettes – und das war okay.
Mittlerweile habe ich zwei englische Worte, die, wie ich finde, ähnlich wie Gemütlichkeit die amerikanische Kultur ganz gut beschreiben. Ich hasse sie genauso wie ich Gemütlichkeit hasse.
Comfort/Comfortable
Comfort ist ähnlich wie Gemütlichkeit aber nicht das gleiche. Comfort bedeutet Behaglichkeit, Komfort, Bequemlichkeit. Ich würde mal sagen man braucht comfort für Gemütlichkeit, es ist eine Vorstufe der Gemütlichkeit, die leider noch breiter und deshalb meiner Meinung nach noch verheerender ist als die vermaledeite Gemütlichkeit. Das Adjektiv comfortable (bequem, gemütlich, behaglich, angenehm) ist natürlich gerade so schlimm, wenn nicht schlimmer.
Was ich an comfort so hasse, ist dass es mittlerweile als Entschuldigung für selbst die allerblödsten Dinge akzeptiert wird. Alle laufen in ständig in schlampigen Sportklamotten herum oder kommen in Yogahosen ins Büro oder die Schule. Erklärung: I just want to be comfortable. Nahrungsmittel werden in idiotischen Verbund-Verpackungen in denen man sie in die Mikrowelle schmeissen kann verkauft (mehr Abfall als Essen) – It’s just so comfortable. Man sitzt abendelang vor der Glotze und zieht sich “Game of Thrones” rein – oh, so comfortable!
Alles muss comfortable sein, nichts darf mehr anstrengend sein oder Mühe machen. Das Leben, so die Devise, ist stressig genug, da will man dann nur noch seine Jogginghose anziehen, eine Packung aufreissen und vor dem Fernseher irgendwas schon Vorbereitetes reinziehen und nebenher am Computer auf Amazon irgendwas bestellen, dass einem dann aufwändig verpackt zugeschickt wird – more comfortable than going shopping.
Wholesome
Das ist das andere englische Wort/amerikanische Konzept, dass ich nicht ausstehen kann. Wholesome/wholesomeness ist schwieriger zu beschreiben als comfort, denn die Übersetzung ist sehr oberflächlich: gesund, förderlich. Das trifft es nicht.
Wholesome beschreibt einen Lebensstil der nicht unbedingt gesund im körperlichen Sinne ist (obwohl er das sein kann) aber auch ins moralische hineingeht. Wholesome ist das Gegenteil von anrüchig. Wholesome ist die ganze Familie, die sich Wizard of Oz anschaut und alle finden es toll, auch Mama und Papa. Wholesome sind “saubere” Witze, und süße Katzenbaby-Videos (ohne Info, wie die Katzenbabies gemacht werden) oder Geschichten von Leute, die Schreckliches durchmachen aber am Ende als bessere Menschen hervorgehen, ohne irgendeinem irgendwann mal die Fresse poliert zu haben, ohne gelogen zu haben und voller Glauben an einen guten Gott.
Überhaupt hat wholesomeness viel mit Religion zu tun. Sex ist nicht wholesome, Party machen nicht, Alkohol trinken nicht. Als Jungfrau in die Ehe, das ist wholesome, und Malzbier, und Gesellschaftsspiele und im Rahmen der Familie musizieren. Nicht das irgendwas am musizieren oder an Gesellschaftsspielen schlecht wäre, es ist die Einstellung, dass alles was gewagter ist als eine Runde Scrabble moralisch verwerflich ist. Wholesome ist alles, was für einen 5-Jährigen angemessen und lustig ist für alle, auch die Erwachsenen.
In einem Wort: Wholesomeness ist so ungefähr das langweiligste, was man sich vorstellen kann. Zum Glück empfinden viele Menschen so wie ich, und alle meine Freunde sowie.