Einige meiner Leser werden das sicher auch schon erlebt haben: wenn es mit einer Firma bergab geht, wenn Entlassungen anstehen, wenn es chaotisch zugeht wird die Organisation undicht. Leute reden, jeder mit jedem, Information, die sonst vertraulich behandelt würde wird weitergegeben, es gibt keine Loyalität mehr. Chaos und Lecks – genau das sehen wir jetzt im Weissen Haus und der Regierung im allgemeinen.
Mein erster Job nach der Business School hat mich diese Erfahrung gelehrt. Ein inkompetenter Geschäftsführer, die Nummer zwei (meine Chefin) reichlich paranoid (es gab niemanden, der es nicht auf sie abgesehen hatte, beruflich oder persönlich) und der Rest der Führungstruppe um ihre Jobs besorgt und nicht bereit sich gegen den Chef zu stellen. Das Ganze zerbröselte um mich herum in relativ kurzer Zeit und was mich damals erstaunte war, wie löcherig die ganze Organisation wurde. Informationen aus den Vorstandstreffen wurden kurze Zeit später in der Cafeteria zwischen den Wissenschaftlern diskutiert, strikt vertrauliche Information fand ihren Weg zu mir, die neueste Angestellte, und zu vielen anderen. Es gab keinerlei Loyalität mehr zur Firma oder den Vorgesetzten. Es ging noch nicht mal mehr so sehr darum den eigenen Job zu retten, dass das ein hoffnungsloses Unterfangen war, war eh klar – es war nur eine Frage der Zeit – es ging darum, das Gefeuert werden so lange herauszuzögern wie möglich und/oder so wenig wie möglich zu tun und mit der gewonnenen Zeit einen neuen Job zu finden. Ich fand einen ein paar Monate bevor das ganze Ding implodierte. Eine interessante, wenn auch keine angenehme Erfahrung.
Chaos und Lecks im Weissen Haus
Wenn man sich die letzte Woche anschaut kann man nicht umhin zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass das Weisse Haus die gleichen Symptome – Chaos und Lecks – zeigt, wie meine kleine implodierende Firma damals. Das ohnehin schon atemberaubende Tempo, mit dem hier alles passiert hat nochmal einen Zahn zugelegt und die Nachrichten zeugen von zunehmendem Chaos.
Hier sind ein paar Kostproben:
Anthony Scaramucci – Kommunikation durch Fluchen
Sean Spicer wurde durch Anthony Scaramucci als Kommunikationsdirektor ersetzt. Der machte sich prompt dadurch beliebt, dass er drohte alle zu feuern und ein Interview gab, dass dermassen mit Flüchen und dem “F-Wort” durchsetzt war, dass ich mir echt überlegen musste, ob ich meinen 13-jährigen Sohn das sehen lassen kann. Das muss man sich vor Augen halten: das wäre als wenn Steffen Seibert in einem Interview mit dem ZDF so herumfluchen würde, dass die Eltern ihren Kindern die Ohren zuhalten. Eine kleines Gerücht am Rande: Scaramuccis Frau hat die Scheidung eingereicht. Sie hat vor 5 Tagen das zweite Kind von Scaramucci zur Welt gebracht und er ist anscheinend noch nicht aufgetaucht, um seinen Nachwuchs zu sehen. Sagt einem eigentlich alles, was man über Scaramucci, genannt “the Mooch” wissen muss (to mooch ist ein verb, dass herumlungern und schnorren bedeutet).
Okay, ich schreib also diesen Blog. Dann mach ich eine kurze Pause, um meinen Sohn zum Zahnarzt zu fahren und während ich darauf warte, dass seine Spange angepasst wird lese ich auf Facebook dass Scaramucci jetzt auch gefeuert wurde. Ich komm echt nicht mehr nach!
Jeff Session – “evil Yoda” bangt um seinen Job
Wer meine Blogs regelmäßig liest, weiss wie sehr ich Jeff Sessions verachte. Der Justizminister würde uns am liebsten in die 50er Jahre zurückbefördern, wo Frauen hübsch am Herd standen und sich nicht einmischten, wenn die Männer über wichtige Dinge redeten. Und das ist noch eher ein kleineres Problem mit ihm. Jeff Sessions also, war der erste Senator, der Trump öffentlich unterstützt hat. Das war damals peinlich aber er stand loyal zu ihm (Loyalität kann auch zu weit gehen) und ist mit einem wichtigen Posten belohnt worden. Jetzt wird im Weissen Haus laut spekuliert, wann Trump ihn feuern wird. Denn Sessions hat sich ja wegen Befangenheit aus der Russland-Geschichte zurückgezogen. Da er das getan hat, kann er den Sonderermittler Mueller nicht feuern. Trump will Mueller loswerden und deshalb will er Sessions feuern und durch jemanden ersetzen, der Mueller feuert. Jeder weiss es, alle reden darüber, die von Trump viel gepriesene Loyalität ist wohl eine Einbahnstrasse, man schuldet Trump Loyalität aber er schuldet einem keine. Wer hätte gedacht, dass die Bay Area Liberalen einmal hoffen würden, dass Sessions seinen Job behält. Jedenfalls ein bisschen länger.
Amtsniederlegungen und Entlassungen
Jeden Tag kommen Meldungen über Leute, die entweder überstürzt gefeuert wurden, oder ihr Amt niederlegen weil es ihnen unmöglich ist, es vernünftig auszuführen. So hatten wir: der Chef der Abteilung für Cyber Koordination hat gekündigt. Die ganze Abteilung soll aufgelöst werden – wer braucht schon Koordination im Cyber-Bereich im Zeitalter der gehackten Wahlen? Der Chef des Diplomatischen Sicherheits-Buero hat gekündigt, unser Aussenminister (Dep. of State) gönnt sich ein Päuschen und es wird spekuliert ob oder eher wann er sein Amt niederlegt – wer braucht schon Aussenpolitik, wenn die Nordkoreaner Waffen testen? Walter Shaub, der für die Einhaltung der Ethik verantwortlich ist, hat auch gekündigt, er meint er kann eh nichts erreichen. Hat er wohl recht. Der kühlste Kopf im Kabinett, General McMasters, erwägt angeblich auch das Amt niederzulegen, das Chaos nervt ihn, kann ich ihm nicht verdenken, wäre aber eine mittlere Katastrophe. Reince Priebus wurde gefeuert, er hat die zweifelhafte Ehre, der am kürzesten dienende Stabschef zu sein. Statt seiner bekommen wir nun einen General. Ob der Ordnung ins Chaos bringen kann ist abzuwarten.
Minderheiten Beschuldigen
Das ganze Spektakel, einschliesslich Chaos und Lecks muss ja irgendwie übertüncht werden und da kommen Trump Minderheiten mal wieder sehr gelegen. Transgender Leute sollen nicht mehr im Militär dienen können, weil es angeblich zu teuer ist, sie krankenzuversichern. Natürlich haben sich ein paar Leute hingesetzt und nachgerechnet, dass Trumps ständige Golfwochenenden deutlich mehr kosten, als die Krankenversorgung der Transgender Militärangehörigen.
Die Mexikaner sind auch mal wieder Schuld, denn das sind ja alles Bandenmitglieder. Natürlich auch die Demokraten – immer und an allem Schuld. Wenn das ganze bald zusammenbricht wünsche ich mir vor allem eins: ich möchte auch ein klitzekleines bisschen schuld sein.