Normalerweise schreibe ich nicht über Sport. Bin nicht so ein Fan, einmal im Jahr den Superbowl, aber eher wegen der Party, und dann das gelegentliche EM oder WM Spiel, wenn es sich gerade ergibt. Hin und wieder bei unserem Stamm-Mexikaner sehen wir dann noch Teile irgendwelcher zufälliger Spiele: Nord-Irland gegen die Faröer Inseln, Madrid gegen Barcelona, was halt so läuft.
Aber mittlerweile ist ja hier auch der Sport vom politischen Wahnsinn betroffen. Also heute zum Thema Sport, zumindest teilweise.
Sport, vor allem die NFL – die National Football League (Nationale Football Liga) und die NBA (National Basketball Association) – ist in die politische Kontroverse über Politik, Patriotismus und Rassismus hineingezogen worden. Alles fing mit Colin Kaepernick an, der ehemalige Quartback der San Francisco 49ers an. Colin stand während die Nationalhymne gespielt wurde nicht auf, wie es üblich ist, sondern blieb sitzen. Später dann fing er an zu knien, nicht wie in der Kirche, sondern mit einem Knie auf dem Boden. Der Grund seiner angeblichen Respektlosigkeit ist, in seinen Worten, folgender:
“I am not going to stand up to show pride in a flag for a country that oppresses black people and people of color. To me, this is bigger than football and it would be selfish on my part to look the other way. There are bodies in the street and people getting paid leave and getting away with murder.”
(Ich steh nicht auf und bekunde meinen Stolz auf die Flagge eines Landes, dass Schwarze und andere Farbige unterdrückt. Für mich ist dies wichtiger als Football und es wäre egoistisch von mir, wenn ich einfach wegschauen würde. Da liegen Leichen in der Strasse während andere Leute (meine Anmerkung: Polizisten) bei vollen Bezügen beurlaubt werden und mit Mord davonkommen.”)
Sport, Politik und rassismus
Er spricht natürlich von den vielen Schwarzen, die von meist weißen Polizisten erschossen werden. Oft sind es unbewaffnete Leute, manchmal werden sie in den Rücken geschossen oder es sind noch halbe Kinder, die eine blöde Bewegung machen, die im Nachhinein angeblich so aussieht, als hätten sie noch einer – oft nicht vorhandenen – Waffe gegriffen. Oft werden diese Polizisten von einer überwiegend weißen Jury freigesprochen, wenn sie überhaupt angeklagt werden. Oft werden sie erst einmal bei vollen Bezügen beurlaubt.
Diese harmlose Form des Protestes machte Schule. Der nächste, der mitmachte war Eric Reid, ein ebenfalls schwarzer 49er Kollege von Kaepernick. Nach diesem Protest wurde beschlossen zu knien statt sitzen zu bleiben. Das passierte nachdem Kaepernick mit einen ehemaligen Football-Spieler, der auch der militärischen Eliteeinheit Green Berets angehört, diskutiert hat, wie man protestieren kann, ohne dabei die Opfer, die viele Militärangehörige und Veteranen in verschiedenen Kriegen gebracht haben, zu entehren.
Knien schien ein angebrachter Kompromiss. Mittlerweile war eine national Diskussion zu dem Thema entfacht und weitere Spieler schlossen sich dem Protest an: Jeremy Lane von den Seattle Seahawks war der erste nicht 49er, der sich anschloss. Die erste Frau und Weiße war Megan Rapinoe, eine Fussballspielerin, die sagte, dass sie als Lesbe weiß, was es bedeutet, dass nicht alle ihre Grundrechte geschützt sind (natürlich eine Anspielung auf die anhaltende Diskussionen, um die Gleichstellung von Lesben und Schwulen). Der Fußballverband sprach sich gegen ihren Protest aus.
Von da weitete sich der Protest aus und mehr und mehr Spieler schlossen sich an. Verschiedene Formen des Protestes wurden ausprobiert, alle symbolisch, z.B. haben gesamte Teams sich während die Nationalhymne gespielt wurde untergehakt um Solidarität zu zeigen, oder anstatt Hand aufs Herz wurden Fäuste in die Luft gestreckt. Ein Symbol, dass in die 60er Jahre zurückreicht und in den Olympischen Spielen 1968 auftauchte und gegen Rassismus zu protestieren. High-School und College Teams schlossen sich an, sowie Basketballspieler und andere, z.B. die Bands, die die Nationalhymne spielen. In einigen Fällen kündigten Sponsoren daraufhin ihre Verträge mit protestierenden Spielern.
Das alles war 2016 und wurde von den Medien detailliert behandelt, den Sport ist ja immer ein gutes Thema fuur Schlagzeilen. Natürlich gibt es keinerlei Zweifel, dass sowohl knien, als auch sitzen oder Faust in die Luft in den USA unter Meinungsfreiheit fallen und komplett rechtens sind. Was auch immer der Protest gebracht hat, er hat zumindest die Diskussion um Rassismus in diesem Lande aufrecht erhalten und da Sportstars hier ja wie Götter verehrt werden, war es sicher keine schlechte Sache.
September 2017 – die Kontroverse im Sport wird wieder aufgekocht
So, nun ein Jahr später haben wir eine unfähigen Narzisten im Weißen Haus, der nichts kann, nichts versteht und am liebsten Wahlkampf-Kundgebungen macht, auch wenn gar kein Wahlkampf ansteht. Am liebsten sind im Gelegenheiten, wo er seine Anhänger versammeln und mit den immer gleichen Parolen aufhetzen kann. Da die ganze anti-Hillary Slogans langsam alt werden und er keinen seiner vielen angekündigten Siege (bessere Krankenversicherung, niedrigere Steuern, eine durchsichtige Mauer an der Grenze, breite Einreiseverbote, etc.) Wirklichkeit sind brauchte er ein neues Thema, um die Volksseele zum Kochen zu bringen. Was bietet sich besser an, als den Patriotismus von Schwarzen anzuzweifeln? Eigentlich nichts und so kam es dann, dass in einer Kundgebung in Alabama – tiefer konservativ kann es fast nicht werden – die knienden Football- und Basketballspieler angepöbelt wurden. Man solle sie feuern, wenn sie nicht stehen; Respekt für die Flagge hat nichts mit Rasse zu tun; knien zeigt Respektlosigkeit; die NFL muss die Regel ändern und alle zum Stehen zwingen, etc.
Mit solchem Blödsinn erreicht er zweierlei: weitere Protestaktionen, mehr kniende Spieler und Spielerinnen, die Politisierung einer bislang recht unpolitischen Gruppe, nämlich Top-Athleten, sowie Jubelgehäul von seinen Anhängern. Das alles dient natürlich dazu vom Sonderermittler Müller und seinem Team abzulenken, die nach Meinung vieler Experten, mit Rekordtempo arbeiten und große Fortschritte gemacht haben. Da kommt eine aufgewärmte Kontroverse, um ein hochbezahlte Sportler gerade recht.
Die Situation polarisiert sich, wie alles in diesem Land, ganze Teams und ihre ebenfalls hochbezahlten Trainer stellen sich auf die Seite der Protester, Besuche im Weißen Haus werden abgesagt, und man liefert sich Wortgefecht in den Medien. Gleichzeitig machen die NASCAR Typen (Autorennen) auf “lieb Kind” und sagen, dass man solchen unpatriotischen Unsinn wie knien während ihrer Veranstaltungen nicht dulden wird. Andere rufen zum Boycott von NASCAR auf.
Ich kann NASCAR nicht boykottieren, da ich noch nie in meinem Leben auch nur einen Dollar an NASCAR verschwendet habe. Leider bin ich auch selten bei Veranstaltungen, an denen die Nationalhymne gespielt wird, sollte es doch passieren werde ich wohl knien müssen – auch wenn ich das früher in der Kirche schon immer so gehasst habe, weil ich doch so spitze Knie habe. Aber es hilft nichts, kurzzeitig wird’s schon gehen, trotz spitzer Knie.
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