Ich hab immer angenommen, dass Vernunft und Intelligenz korreliert sind
Seit 12 Jahren erlebe ich praktisch täglich, dass Intelligenz nicht unbedingt etwas mit Vernunft zu tun hat. Mein Sohn, so schlau wie er ist, tut manchmal episch unvernünftige Dinge. Aber das ist ja irgendwie auch nicht anders zu erwarten von einem 12-Jährigen und über die Jahre ist es besser geworden. Ich habe also geglaubt, dass Vernunft und Intelligenz positiv korreliert sind und irgendwann so mit 20 alles aufs Wunderbarste zusammenkommt: viel schlau, viel vernünftig. Eine weitere Illusion, die mir die Ära Trump geraubt hat.
Um so was zu lösen braucht man Intelligenz aber anscheinend nicht unbedingt Vernunft
Ich habe zwei Jahre meines Lebens mit sehr schlauen Menschen verbracht. Leuten, die unbezweifelbar einen deutlich höheren IQ als ich hatten. Solche, die sich mathematische Probleme nur ansehen mussten, um die Antwort zu wissen oder problemlos irgendwelche abstrakten Ideen der höheren Finanzierungstechnik oder der Statistik kapierten. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir uns zwei Jahre lang am MIT immer vernünftig benommen haben, dass waere eine Lüge von Trumpschen Ausmassen, aber im Laufe der letzten fast 20 Jahre, seit ich zum ersten mal mit diesen Leuten im einem Vorlesungssaal sass, sind wir alle doch recht vernünftig geworden.
Oder eben nicht – und da setzt es jetzt bei mir aus
Mit vielen bin ich noch per Facebook verbunden. Eine der wunderbaren Eigenschaften von Facebook (und es gibt unbestreitbar auch einige, die deutlich weniger wunderbar sind) ist, dass es einem erlaubt über viele Meilen und Jahre hinweg mit Menschen verbunden zu bleiben. Kinderfotos wurden da ausgetauscht und Ferienbilder gezeigt und irgendwie hat man immer das Gefühl einen Menschen, den man schon seit 10 Jahren nicht mehr gesehen hat doch noch zu kennen.
Das mit den Kinderbildern ist jetzt vorbei, momentan herrscht die Politik uneingeschränkt und bis vor kurzem glaubte ich, dass alle ungefähr so denken wie ich. Vielleicht graduelle Unterschiede aber bitte, wir sind doch alle intelligente Menschen, die zu allem Überfluss auch noch für zwei formative Jahre die gleiche Bildung genossen haben.
Im grossen und ganzen stimmt das auch, aber dann gibt es die Ausnahmen und da weiss ich dann nicht mehr weiter. Um ein Beispiel zu geben: Mikro-Oekonomie (Econ) ist nicht gerade das einfachste Thema und im zweiten Jahr wurde eine kleine Anzahl von meinen Kommilitonen dazu auserwählt als Hiwis für die “Econ” Profs zu arbeiten. Ein Econ-TA (teaching assistant) zu sein war der ultimative Beweis eines IQs, der weit über dem Durchschnitt liegt. Die TAs für die Statistik-Klasse kamen gleich danach. Nun denkt man sich: wer so schlau ist und jetzt auch in dem Alter ist, in dem man eine gewisse Reife erwarten kann, der sollte doch auch vernünftig sein. Vernünftig im Sinne von rationell, im Sinne von nicht jeden haarsträubenden Blödsinn glauben, nicht irgendwelche Verschwörungstheorien verbreiten sondern Dinge hinterfragen und diese wunderbare Intelligenz gewinnbringend einsetzen.
Sollte man meinen
Aber auf Facebook da sieht man dann, dass einer der alten Helden, einer der Econ-TAs, einen Kommentar befürwortet in dem behauptet wird, dass Obama a) der schlechteste Präsident in der Geschichte Amerikas ist und b) jetzt dabei ist von seiner neuen Wohnung in Washington aus ein Schattenkabinett zu berufen und rechts links und im Rösselsprung Gesetze zu brechen.
Was???
Punkt a) ist nur einfach blöd und wird durch ständige Wiederholung auch nicht wahrer aber b) ist so daneben, dass man sich doch fragen muss, ob der vergessen hat seine Psychopharmaka zu nehmen oder vor kurzem eine Sturz auf den Kopf aus grosser Höhe überlebt hat.
Wenn er der einzige waere, dann würde ich einfach die Psychopharmaka-Erklärung wählen und mir nichts weiter dabei denken. Ist er aber nicht. Es gibt zumindest drei weitere, von denen ich weiss, die Trump-Propaganda verbreiten und zwar nicht ironisch gemeint. (das ist immer meine erste Annahme: das ist Ironie/Sarkasmus/Zynismus – leider nein). Einen habe ich schon vor Jahren “entfreundet” einen habe ich noch auf der Freundes-Liste, denn man muss ja wissen, was der Feind denkt und eine war nie auf der Liste, taucht jetzt aber ständig in den Kommentaren des anderen auf.
Ich lese die Kommentare und kann es nicht fassen, kann nicht fassen, dass intelligente Menschen, die bewiesen haben, dass sie komplizierte Sachverhalte verstehen können, die eine erstklassige Erziehung und Ausbildung genossen haben solchen Blödsinn verzapfen. Wie kann Vernunft und Intelligenz nur soweit auseinander klaffen? Niemand hat mir das bislang erklären können.
Ich würde es wirklich gerne verstehen wie das funktioniert, wie Vernunft und Intelligenz sich so völlig voneinander lossagen können. Wie kann es sein, dass jemand komplizierte Finanz-Optionen zusammenbastelt und gleichzeitig glaubt Obama würde ein Schattenkabinett in seinem Wohnzimmer leiten? Wie ideologisch vernagelt muss man denn sein, um nicht zu sehen, dass das völlig unmöglich ist? In zwei Minuten kann man da doch ein Duzend guter, logischer Argumente bringen, dass das kompletter Schwachsinn ist. Nur ein Quäntchen der ganze Schlauheit würde doch ausreichen zu sehen, dass das eine Verschwörungstheorie allererster Guete ist. Aber nein, die ganze Econ-TA Intelligenz hilft da anscheinend nicht weiter.
Die Gehirnforscher haben noch einiges zu tun!
Eric
Tina, ich glaube nicht, dass Intelligenz und Vernunft korrelieren.
In den Fällen, halbwegs Intelligent und halbwegs Vernünftig, stimme ich da noch zu.
Aber in Sachen “Hochintelligent” bin ich mir da nicht so sicher. Ich denke, dass es viele Hochintelligente Menschen gibt, die sich der Vernunft verschrieben haben. Sicher gibt es aber auch einige, die die Eigenschaft Vernunft als “Hemmschuh” aburteilen und bei denen einzig und allein deren Intelligenz an Platz 1 steht. Vieles andere wird dann egal, koste es was es wolle…