Im Laufe der Jahre, die ich jetzt schon weg bin, ist Deutschland deutlich weniger formell geworden als früher. Ich kann mich noch gut der Zeiten erinnern, wo Leute mit Titel angesprochen wurden und das „Sie“ uneingeschränkt herrschte. Ich

Anrede im Cafe

Ich höre jetzt deutlich häufiger “Du” als früher

erinnere mich auch noch gut daran bei Geschäftstreffen von meiner Kollegin als Frau Dr. vorgestellt zu werden. Ich war mir immer anfänglich unsicher, wenn sie mit dieser Anrede meinte, mich doch sicher nicht. Aber irgendwie hat der Titel und die förmliche Anrede damals Eindruck gemacht. Das scheint heute weniger der Fall zu sein.

Na ja wie dem auch sei, jetzt komm ich nach Deutschland und muss mich erst daran gewöhnen, dass alle möglichen Marketing Leute von Ikea bis zum lokalen veganen Café meinen, sie könnten Du zu mir sagen.

Anrede in Kalifornien
Anrede

Wann immer es cup cakes gibt ist es eine Party und dann darf man den Vornamen nehmen.

In den USA ist man im allgemeinen weniger formell. An der Ostküste und vermutlich auch im Landesinneren, dass ich nicht so oft erkunde, mehr als in Kalifornien. Hier ist jeder Bob oder Mary, oder eben Yang, Vijay, oder Carlos. Ich würde nur in Ausnahmefälle jemanden mit den Nachnamen anreden.  Wenn ich z.B. Tim Cook, dem Geschäftsführer von Apple bei einem Geschäftstreffen vorgestellt würde, dann würde ich wohl Mr. Cook sagen. Wenn er darauf hin meine Hand schütteln und sagen würde. “Nice meeting you, Tina” dann würde ich auch zum Vornamen umschwenken. Dadurch dass er meinen benützt hat, ist es okay, auch ihn so anzusprechen. Wenn ich ihn bei einer Party treffen würde (unwahrscheinlich) würde ich ihn a) nicht erkennen und b) wenn ich ihn erkennen würde vermutlich Tim sagen. Timmy wäre dann doch zu gewagt und Mr. Cook zu formell für eine Party. Aber wie gesagt, in die Verlegenheit werde ich vermutlich nicht kommen.

Akademische Titel

Mit dem akademischen Titel wird überhaupt nie jemand angeredet. Die Vorstellung in ein biologisches Labor zu gehen (da arbeite ich manchmal) und jemanden mit Dr. Smith zu begrüßen ist geradezu lachhaft. Dr. Smith wäre einfach Greg oder Naomi.

Ausnahmen

Wie immer gibt es Ausnahmen, wie könnte es auch anders sein?

  • Polizisten und Einwanderungsbeamte: Officer bietet sich an
  • Präsident der Vereinigten Staaten: Mr. President ist die richtige Anrede, Obama wär dann doch ein wenig zu intim. Das gleiche gilt für Senatoren und dergleichen. Aber solche Situationen kommen im wirklichen Leben ja eher nicht so häufig vor.
  • Andere Amtspersonen, von denen man was will, z.B. eine Heiratsurkunde, oder eine Baugenehmigung: Sir oder Madam, wenn man den Namen nicht kennt, sonst Mr. Oder Mrs. Sowieso.

 

Anrede

Doktor spricht man in der Regel mit Titel und Nachnamen an.

  • Ärzte werden in der Regel als Dr. und mit dem Nachnamen angeredet, außer es sind Kinderärzte/-zahnärzte, da sagen die Kinder dann Dr. Bob oder Dr. Mary. Wenn man seinen Doktor schon seit ungefähr drei Ewigkeiten kennt kann man auch manchmal den Vornamen nehmen.
  • Bleiben dann noch Richter, auch so eine Gruppe, die man ungern in ihrer amtlichen Eigenschaft kennenlernt. Auf einer Party ist Richter Michael Miller „Michael“ oder „Mike“ oder wie auch immer er sich vorstellt. Im Gerichtsaal ist er „Your Honor“. Hoffen wir mal, dass keiner meiner Leser je in die Situation kommt einen Richter im Gerichtssaal ansprechen zu müssen. Das bedeutet nämlich in der Regel, dass man Ärger hat – großen Ärger.
  • Die letzte Gruppe, die auf formelle Ansprachen bestehen sind Lehrer. Für die Kinder macht das auch Sinn, die sollen ja ein bisschen Respekt zeigen. Dass es von den Eltern auch erwartet wird ist ein bisschen komisch, aber sei’s drum. Ich halte mich auch hier an die bewährte Regel: wenn es sich um Berufliches handelt ist es formell und Mr. oder Mrs und Nachname sind angezeigt.  Bei einer sozialen, nicht schulischen Angelegenheit, also wenn man z.B. eine Mathe-Lehrerin bei einer Geburtstagsfeier kennenlernt: Vornamen.

Von den paar Ausnahmen mal abgesehen, ist die Regel also sehr einfach: Vorname, kein Titel – alles sehr informell. Man muss halt nur wissen, wenn man besser ins Formellere umschwenkt.