Ich lebe momentan in einer binären Welt. Früher gab es schwarz und weiss und jede Menge grau, null und eins und unendlich viele Zahlen dazwischen. Jetzt gibt es (fast) nur noch schwarz oder weiss, null oder eins. Die Zwischentöne verschwinden in einer zunehmend polarisierten Welt.
Natürlich ist die Behauptung oben ein wenig übertrieben, um den Punkt, dass die Welt plötzlich viel polarisierter ist, deutlich rüber zu bringen. Natürlich gibt es auch jetzt noch Zwischentöne, so liegen zwischen Rote Beete, die ich mit Leidenschaft hasse, und Schweizer Schokolade, die ich nicht weniger leidenschaftlich liebe, noch jede Menge Nahrungsmittel: Zucchini, z.B.(lecker) oder Lakritze (igitt) oder die Kuchen meiner Mutter (super lecker). Aber in vieler Hinsicht verschwinden die Grautöne momentan zugunsten von eindeutigen und unmissverständlichen Aussagen.
Menschen kommen in drei Kategorien: Trump-Unterstützer, Trump-Hasser und dann die “andere” Kategorie, in die Kinder unter 5 Jahren, Menschen, die die letzten 2 Jahre im Amazonas oder in Papua Neuguinea ohne Verbindung zur Aussenwelt verbracht haben und noch ein paar andere Klein-Gruppen, gehören. Der Rest ist entweder für oder gegen Trump, schwarz oder weiss. So ein bisschen für Trump sein, so wie man Obama ganz okay aber nicht super finden konnte: geht nicht. Dafür oder dagegen, schwarz oder weiss.
Die Regierung: schwarz oder weiss
Das gleich gilt für die anderen Gestalten in der Regierung: Steve Bannon, entweder der Teufel in Person oder der (Nazi-)Heilsbringer. Betsy DeVos, eine unbeirrbare Streiterin für Schulwahl oder eine reiche Tusse, die sich eine Position durch Spenden erkauft hat und jetzt systematisch die öffentlichen Schule zugrunde richten will. Man kann die Kinder ja immer noch in eine religiöse Schule schicken. Jeff Sessions: ein Rassist oder – ein Rassist, das scheinen manche ja gut zu finden.
Beziehungen zwischen Demokraten und Republikanern gehören so ziemlich der Vergangenheit an
Auch im persönlichen Bereich polarisiert sich alles. Am 14. Februar war Valentinstag und im National Public Radio hatten sie einen Bericht über Beziehungen und vor allem Internetportale, die Leute zusammenbringen. Eins war klar nach dem Bericht: Demokraten sind noch nicht mal bereit sich mit Republikanern auf einen Kaffee zu treffen, um sich kennenzulernen, geschweige denn mehr. Umgekehrt ist es genauso. Die Kluft ist nicht zu überbrücken. Verstehe ich auch, die Idee ist jemandem zusammen zu sein, der Fox News anschaut und Trump unterstützt – da wird’s mir schlecht!
Unterhaltung: momentan nur politische Artikel oder heile Welt
Wirklichkeitsflucht mit Star Trek. Bildquelle
Für mich hat es auch Auswirkungen im Kleinen. Beim Lesen schwanke auf der einen Seite zwischen politischen Artikeln in der New York Time, The Atlantic und eine Reihe anderer etablierter Magazine, Twitter und Bücher, die einem in eine schrecklich depressive Stimmung versetzen wie Dark Money von Jane Mayer und, auf der anderen Seite die seichteste Unterhaltungsliteratur, die man finden kann. Momentan, es ist ja richtig peinlich, lese ich die Star Trek Voyager Bücher, die ich noch nicht kenne. In der Glotze gibt es bei uns momentan nur heile Welt. Star Trek Deep Space 9 hab ich ich für das abendliche Programm mit Kind erstmal abgesetzt – war mir zu viel Krieg in der sechsten Staffel. Ihn hat es nicht gestoert – aber mich. Wir schauen uns jetzt wieder Star Trek Next Generation an, da verhauen sich hin und wieder ein paar Ausserirdische aber sonst ist heile Welt.
Ein hübscher Kommissar in Anzug, der in Toronto anno 1899 Bösewichte jagt ist alles was es momentan im heimischen Unterhaltungsprogramm gibt. Bildquelle
Ansonsten gibt es Murdoch Mysteries, eine kanadische Serie, die um die Jahrhundertwende spielt, die vorletzte wohlgemerkt, 1898 oder so, und ungefähr so gewalttätig ist wie Miss Marple nur dass es einen männlichen Detektiv gibt, der zu allem Überfluss auch noch ein gut aussehender Geek ist und irgendwann tatsächlich seine Angebetete heiraten kann. Heile Welt. Downton Abbey im zweiten Durchgang sparen wir uns für ganz schlimme Tage auf, muss man haushalten mit der heilen Welt und den Möglichkeiten zur Wirklichkeitsflucht.
Ich finde das anstrengend, ich bin eigentlich ein Mensch, der Extreme hasst, aber es hilft alles nichts. So ist es jetzt und gute Bücher und anspruchsvolles Kino muessen leider warten, bis Trump des Amtes enthoben ist. Aber dann haben wir Pence und wenn der dann weg ist Ryan. Es scheint die guten Bücher werden noch sehr lange warten müssen.