Fünf Wochen und ein bisschen sind schnell um, das hab ich ohnehin gewusst und jetzt sind sie fast um. Zeit zurückzufliegen, bloss wohin flieg ich eigentlich? Nach Kalifornien, nach Hause, in unser Haus? Viele Jahre hätte ich diese Frage eindeutig mit “nach Hause” beantwortet. Jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Kann das noch zu Hause sein, trotz Trump, Bauwut, Verkehrschaos, extremer Preise, etc. Oder ist es halt der Platz, an dem ich schon länger lebe? Oder etwas zwischen drin?
Als erstes kurz meine Erfahrung mit einer Flugänderung. Ich dachte mir, es wär doch nett, noch eine Woche zu bleiben und alle die Dinge, zu denen ich nicht mehr gekommen bin, zu erledigen. Gedacht getan, ich ruf die Swiss an und schildere mein Anliegen. Drei Leute, Flug um eine Woche verlängern, kommt nicht so genau darauf an, eben so ungefähr eine Woche. Sie tippt, sie schaut sie meint “Das wären dann 765 Dollar”. Ich denk “oh je, bisschen teuer aber was wenn nur ich blieben, ich könnte die Garagentür und die Hütte noch streichen etc. und die Jungs könnten schon mal vorfliegen, …” all das geht in Windeseile durch meinen Kopf dann höre ich sie sagen “… pro Person”. “Aehm, danke, das hat sich erledigt. Tschüss.”
Fliege ich nach Hause?
Die Verlängerung ist also gestorben und so geht es morgen … zurück, eben. Mit gespaltenen Gefühlen. Mein Sohn freut sich obwohl es ihm hier gut gefällt aber er hat seine Freunde vermisst und das “Friday Night Magic” an der Uni hier ist zwar besser als nichts aber eben nicht das Gleiche wie das Friday Night Magic beim Legends Game Store in Santa Clara, wo er alle kennt.
Ich freue mich auch auf einige Dinge: unser Haus, dass ich meinen Etsy Laden wieder eröffnen kann, meine Nähmaschine (ehrlich), FabMo, all meinen Kram und darauf meine neueste Geschäftsidee mit anderen zu diskutieren. Aber mir werden meine Familie und Freude hier auch fehlen und die Tatsache, dass das Leben, wenn auch nicht viel, her doch ein bisschen einfacher ist.
Vor allem aber sehen ich dem mittlerweile täglichen Wahnsinn in der Politik mit Grauen entgegen. Viele verstehen das nicht – hüben wie drüben. “Kümmere Dich doch einfach nicht darum” hoer ich dann “das musst Du ausblenden” – aber das geht nicht. Ich kann, will und darf das nicht ausblenden. Ich kann doch nicht heile Welt spielen während in meiner Wahlheimat, deren Staatsbürgerin ich ja immerhin auch bin, die Demokratie vor die Hunde geht. Es muss mich doch angehen, wenn dort ein hinterfotziger Trick nach dem anderen durchgezogen wird, wenn Politiker systematisch und ohne jede Gewissensbisse lügen, wenn der pure, gierige Kapitalismus mit autokratischen Zügen zur Staatsphilosophie erhoben wird. Als wenn das alles nicht schon schlimm genug wäre, es betrifft uns ja auch. Unsere Krankenversicherung ist so schon exorbitant, es ist unklar, ob wir uns noch Krankenversicherung leisten können, wenn TrumpCare durchkommt. Und dann?
Darf man einfach zu sehen, wenn eine Demokratie stirbt?
Es ist eine deprimierende Angelegenheit eine Demokratie aus der Nähe sterben zu sehen. Klar, sie stirbt auch in der Türkei und in Polen und das ist ziemlich nahe, aber eben doch anders, als wenn man Mitten drin steckt. Vielleicht geht alles gut und in einem Jahr reden wir gemütlich bei einer Flache Prosecco darüber und in 10 Jahren erzählen wir uns gegenseitig Heldensagen aus den Tagen des Widerstandes. Was wenn nicht? Wass wenn es 10, 15, mehr Jahre dauert, bis der Spuk vorbei ist. Was wenn es ein “4. Reich” wird. Da kann man jetzt drüber lachen, dass ich das so dramatische sehen, oder eigentlich eher nicht aber Trump’s Allmachtsfantasien in denen es immer wieder darum geht, dass er nicht von Richtern oder dem Kongress in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden sollte, die Treueschwüre, die er seinen Mitarbeitern anscheinend regelmäßig abverlangt und die bedingungslose Bereitschaft ihm zu folgen und all den Blödsinn, den er verzapft als einzige Wahrheit zu akzeptieren, sind mehr als bedenklich und weissen deutlich in eine Richtung, die man in Deutschland nur zu gut kennt.
Die Tatsachen, dass er völlig ungeeignete Ideologen in Machtpositionen beruft, Richter ernennt, deren Vergangenheit eindeutig beweist, dass sie Rassisten sind, dass er Hass – vor allem Fremdenhass und Rassismus – wieder salonfähig gemacht hat, zeigen alle in die gleiche Richtung. Eine gute Schulausbildung, also College, wird immer unerschwinglicher, Freunde sagten neulich, dass die Tochter am MIT jedes Jahr mit Kost und Logis $75,000 kostet, Nein, das Mädel lebt nicht in einem Palast. Angriffe auf die Presse, Verdummung der Bevölkerung, Hetztiraden auf alle, die anders sind, Willkür (dazu mehr in Kürze zum Thema Assest Forfeiture), Polizei-Uebergriffe vor allem auf illegale Immigranten die z.T. schon seit Jahrzehnten als unbescholtene Bürger in den USA leben, massive Umverteilung von unten nach oben und ein Präsident, der meint über dem Gesetz zu stehen. Kann man da noch wegschauen und sich in’s Private zurückziehen ganz nach dem Motto “was geht mich das an”? Nein, natürlich nicht.
Ist so ein Land noch zu Hause? Oder gerade deshalb, denn es ist in Gefahr und jetzt wird’s ernst und man muss sich sozusagen bekennen: entweder ist man ein mündiger Bürger, ein Mensch, der bereit ist zumindest Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, wenn es um etwas Wichtiges geht – oder eben nicht. Wie man im englischen so bildreich sagt “when the shit hits the fan” (wenn die Scheisse in den Ventilator fliegt” – man stelle sich vor wie das danach aussieht, um einen Eindruck der Aussagekraft dieses Sprichwortes zu erhalten) zeigt sich wer man ist.
Was ist Heimat, die Frage wird mich wohl mein Leben lang verfolgen
Mit diesem Denkansatz kommt man dann wieder auf die Frage zurück: was ist Heimat und was ist sie mir wert? Habe ich als Expat, also jemand, der das, was fuer viele undenkbar ist, nämlich die erste/eigentliche Heimat zu verlassen, überhaupt eine so starke Bindung an einen Platz. Lohnt es sich zu kaempfen oder sich aufzuregen, oder ist es besser einfach die Zelte abzubrechen und zu sagen “schoen war’s aber jetzt ist es vorbei und das ist auch gut”?
Ich weiss die Antwort noch nicht aber zum ersten mal seit 20 Jahren kehre ich mit einem unguten Gefühl in die USA zurück – nach Hause? – zurück. Noch nicht Angst, aber nahe dran.