Ausser blankem Entsetzen und Unverständnis beherrschen zwei Themen meine Facebook-Seite: Durchhalteparolen gemischt mit Patriotismus und der Ruf nach der Unabhängigkeit Kaliforniens vom Rest der verrückten Landes, der sogenannte Calexit.
Secession – Abspaltung/Unabhängigkeit – Calexit
Es gab schon immer Leute, die glaubten Kalifornien ginge es besser ohne den ganzen Rest. Kalifornien ist ja so wie Baden-Württemberg oder Bayern: wir zahlen und zahlen und als Dank hasst uns der Rest des Landes und wählt einen Menschen als Präsidenten, der hier noch nicht mal die Wahl zum Weinkönig einer zentral-kalifornischen Kleinstadt gewinnen könnte.
Aber bis gestern waren wir erst Amerikaner und dann Kalifornier und der Ruf nach Unabhängigkeit wurde mit mildem Kopfschütteln abgetan.
Das hat sich geändert. Der Ruf nach Unabhängigkeit wird lauter. Viele, die nicht emigrieren können oder wollen, halten das plötzlich für eine gute Idee. Nicht ganz neu und nicht furchtbar realistisch aber nicht unmöglich. Und die permanenteste Art dem ganzen Spuk ultra-konservativer religiöser Spinner und neokonservativer Politiker im Rest des Landes zu entkommen.
Oregon und Washington, vielleicht auch noch Nevada wären willkommen. Natürlich auch New York und die liberalen Neu-England Staaten – aber das ist logistisch ein bisschen schwierig zu bewerkstelligen – mit dem ganzen fly-over country dazwischen. (die gesamte Mitte wird von uns Küstenbewohnern manchmal abfällig als fly-over country bezeichnet, also das Land, über dass man fliegt um von Küste zu Küste zu kommen, aber niemals würde man sich träumen lassen, dort zu landen – ausser man muss).
Wie wird man unabhängig?
Mit einem Wort: schwierig. Die Texaner tragen sich wohl auch hin und wieder mit der Idee – aus genau den umgekehrten Gründen, die wollen den verrückten Liberalen in den Küstenstaaten entkommen. Ich denk mir, es wäre am besten, wenn die Texaner gingen, damit wäre schon mal ein grosses Problem gelöst vor allem, wenn noch ein paar der umliegenden Staaten mitgingen.
Natürlich kann sich Texas die Unabhängigkeit nicht leisten. Kalifornien vielleicht schon.
Soviel ich verstehen muss man, um unabhängig zu werden:
- ein Referendum abhalten, dass von der Mehrheit der kalifornischen Bevölkerung befürwortet wird
- Kalifornien müsste in Washington einen Nachtrag zur Verfassung beantragen, der es Kalifornien erlaubt sich von den Vereinigten Staaten zu lösen. 2/3 des Senates und 2/3 des Repräsentantenhauses müssten zustimmen
- Danach müssten noch 38 der 50 Staaten zustimmen
Nicht sehr wahrscheinlich aber ein schöner Traum in Zeiten wie diesen. Logistisch wäre das ganze sicher mit dem Brexit zu vergleichen, oder einer Unabhängigkeit Schottlands.
Kann sich Kalifornien das leisten: viele glauben ja. Kalifornien ist die 6. größte Wirtschaftsmacht der Welt, größer als Frankreich und mit einer Bevölkerung, die größer ist als die Polens. Ausserdem kommt fast der ganze amerikanische Wein aus Kalifornien – was braucht man mehr?
Ob das reicht? Wer weiss das schon. Im Endeffekt kann ich mir nicht vorstellen, dass der Rest uns ziehen lässt: irgendjemand muss ja schliesslich zahlen und für alles moralisch Verwerfliche wie Homo-Ehe verantwortlich sein. Echt gut, dass es Kalifornien gibt!