Sonntag einkaufen

Keine Limetten für die Margarita: kein Problem, man kann auch am Sonntag einkaufen

Als ich noch in Deutschland lebte, war das mit dem Einkaufen immer ein totaler Stress. Was Samstags bis 13:00 Uhr nicht bezahlt war gab’s nicht bis Montag morgen. Für lebensnotwendige Dinge wie Alkohol oder Schokoladenriegel konnte man natürlich immer an die Tanke. Dann kam ich in die USA und plötzlich konnte ich in aller Ruhe am Sonntag einkaufen. Fand ich toll.

Natürlich hat sich die Situation in Deutschland seither dramatisch geändert. Ich muss allerdings zugeben, dass ich, wenn wir in Konstanz sind und ich dringend was für Sonntag brauche, immer noch eine gewisse Unruhe verspüre, wenn es gegen 17:00 Uhr geht und ich noch immer nicht eingekauft habe. 17:00 Uhr war für uns Konstanzer immer der absolut letzte Termin, bis dahin konnte man noch in die Schweiz und dort besorgen, was man brauchte.

Die Mädels schauen mich dann immer ganz mitleidig an und meinen: “das Kaufland hat bis 22:00 Uhr auf. Bleib ganz ruhig!” Ich will um kurz vor 10 nachts nicht ins Kaufland (eigentlich will ich nie ins Kaufland), aber das ist eine andere Diskussion. Das mit dem Shopping-Stress ist noch immer in mir drin.

Herrlich: Am Sonntag einkaufen

Als ich in die USA zog, war ich mit einem Mal im Shopping-Paradies. Um Mitternacht noch Chips oder Eis brauchen? Kein Problem, der Supermarkt hat auf. Ein Paar Schuhe kaufen wollen, aber das dauert, weil ich so idiotisch breite Latschen habe, dass ich ca. 65 Paar probieren muss, bis ich eines ohne Schmerzen tragen kann? Kein Problem, muss nicht nach der Arbeit erledigt werden, man hat ja den ganzen Sonntag Zeit.

Fand ich toll. Und für das Argument: “die Leute kaufen ja nicht mehr, es verteilt sich nur mehr und das ist schlecht für die Geschäfte” war ich der lebende Gegenbeweis: als ich noch in Deutschland wohnte und arbeitete, kaufte ich praktisch alle meine Klamotten im Ausland. Nicht weil es dort billiger war sondern weil ich im Urlaub Zeit hatte. Hätte ich in Deutschland am Sonntag einkaufen können hätte ich das nicht in Luxemburg machen müssen (ja, ich war tatsächlich mal in Luxemburg für ein paar Tage auf Urlaub), oder in San Francisco.

Sonntag einkaufen

Als ich noch in Deutschland lebte kamen viele meiner Klamotten aus San Francisco. Jetzt kann ich mich ehrlich nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt in SF eingekauft habe.

In Boston bin ich mit meiner Mitbewohnerin während meiner Studentenzeit beliebt Sonntags zum Filene’s Basement gegangen. Da wurde Ware zu Spottpreisen verkauft. Je länger ein Stück schon im Basement war, desto billiger wurde es. nach 4 Wochen bekam man sowas wie 75% Rabatt. Wenn ich nicht gerade Financial Engineering gepaukt habe oder Reports geschrieben habe, sind wir oft durchs Basement getigert und haben nach Schnäppchen gesucht.

Sonntag einkaufen

Das rosa Cinderella-Kleid mit Petticoat stammte von Filene’s Basement. Ich weiss noch, dass es etwas über $14 gekostet hat. Super-Sonntags-Schnäppchen! 

Nach all den Jahren und all die berechtigten Gegenargumente vor allem meiner Freunde, die im Einzelhandel arbeiten, find ich das mit dem Einkaufen am Sonntag immer noch gut. Es muss nicht rund um die Uhr sein, die meisten Läden machen hier am Sonntag nicht vor 11:00 Uhr auf, kommt eh keiner, und ich bin dafür auch bereit, sagen wir, am Montag morgen nicht einzukaufen. Vermutlich ist es hier allerdings nicht so schwierig Personal für den Sonntag zu finden wie in Deutschland.

24-Stunden einkaufen

Was ich allerdings praktisch nie nütze und vermutlich lange nicht merken würde, wenn es abgeschafft würde, ist das rund um die Uhr einkaufen. Aber es gibt auch wirklich nur ganz wenige Laden, die das überhaupt noch so machen. Selbst die grossen Ketten wie Fry’s Electronics, Target, Home Depot oder Macy’s sind nicht 24 Stunden am Tag auf. Safeway, unsere Supermarktkette hat immer auf und in all den Jahren hier in der Bay Area war ich glaube ich 2 oder 3 Mal nach Mitternacht da drin. Viel gekauft haben wir nicht, halt Eis und Kekse, und irgendwie, war das ganze ein bisschen gruselig, so ganz allein in dem grossen Laden, keine anderen Kunden und vermutlich nur zwei Angestellte oder so.

Ich weiss, jetzt habe ich mich wieder als unsozial geoutet und den Eindruck erweckt, dass ich ständig einkaufen renne, was überhaupt nicht stimmt. Ich geh eigentlich nur (Klamotten) einkaufen, wenn ich Besuch habe oder echt was brauche, was selten ist. Aber irgendwie ist es beruhigend zu wissen, dass ich, sollte ich (oder die Jungs) wirklich was brauchen oder unerklärlicherweise irgendwas im Kühlschrank fehlt, denn die Tanken hier, haben leider nur ein sehr eingeschränktes Angebot.