IntroversionSeit einiger Zeit finde ich immer wieder irgendwelche Artikel in den Medien, die sich dann auch schnell in den sozialen Medien verbreiten, die uns überzeugen wollen, dass introvertierte Menschen es so fürchterlich schwer im Leben haben, umgeben von all den lauten Extrovertierten.

Ich sag Euch Introvertierten jetzt mal was: ihr habt es gut! Ich würde mir nichts mehr wünschen (na ja, vielleicht ein paar klitzekleine Dinge, wie einen anderen Präsidenten), als gemütlich und selbstgenügsam zu Hause auf der Couch zu sitzen und Bücher zu lesen oder friedlich allein einen netten Spaziergang zu machen, ohne mich dabei wie ein totaler Loser zu fühlen. 

Geht aber nicht.  Ich bin extrovertiert, ich brauche Menschen.

Das allein schon ist ein Problem, aber was es noch viel schlimmer macht ist, dass ich mittlerweile in einer fast unhaltbaren Situation bin: ich bin eine Extrovertierte, die die meisten Menschen nicht ausstehen kann.

Nehmt das jetzt nicht persönlich, ich kennen viele nette Menschen und komm in der Regel mit allen möglichen Menschen ganz gut aus. Aber, und das ist ein riesengrosses “aber”, wenn ich mir anschaue was momentan weltweit so abläuft, dann kann ich nur zu der Überzeugung kommen, dass Menschen entweder dumm, gemein, nachlässig oder schlimmeres sind. 

Das fängt bei den grossen Dingen an – z.B. einem mordenden Saudi Kronprinz, einem US Präsident, der Kleinkinder von asylsuchenden Eltern trennt und einsperren lässt, Faschisten und Rechtsradikale, die zu gerne Minderheiten unterdrücken würden und Frauen wieder in die 50er Jahre und früher verbannen würden, sexueller Missbrauch in den Kirchen, um nur ein paar offensichtliche und zeitnahe Beispiele zu nennen. Dann geht es im Kleinen weiter, mit Menschen, die ungebildet und stolz darauf sind und nur daran denken, wie sie für sich selbst das Leben besser und einfacher gestalten können anstatt mal über das große Ganze nachzudenken. Da fallen mir die Idioten ein, die jede Zwiebel in eine eigene Plastiktüte verpacken und zu Hause alle in den Müll werfen. Oder die, die sich furchtbar aufregen, dass in Kalifornien ab nächstes Jahr Plastikstrohhalme in Restaurants nur noch auf Verlangen herausgegeben werden sollen, anstatt einfach ungefragt in jedem Getränk mitserviert werden. Was muss man sich denn über sowas aufregen? Ist es denn zu viel verlangt, nach so einem Scheissteil zu fragen, wenn man denn nun unbedingt nicht wie ein normaler Mensch direkt aus einem Glass trinken kann? Oder der Idiot, den wir neulich beim Tür-zu-Tür gehen für die Demokraten getroffen haben und der auf die Frage, ob er als Wähler registriert ist sagte: “nein, sowas tun wir nicht. Wir sind nicht solche Leute!” Als wenn Wählen eine anrüchige Geschichte wäre. Oder die, die sagen, sie haben keine Zeit den Müll zu trennen, sie haben ja schliesslich “busy lives” und keine Zeit für solchen Unsinn. 

Ich könnte die Liste jetzt beliebig fortsetzten, aber ich lass mal gut sein, bringt ja doch nichts.

Aber ihr versteht jetzt mein Problem, hoffe ich, wenn man als Extrovertierte von soviel Blödheit umgeben ist und sich nur einfach wünscht, irgendwo weit ab,  in einem kleinen Häuschen mit Mann, Kind und ein paar guten Freunden friedlich vor sich hinzuleben und dann feststellt, dass man vermutlich nach so ca. zwei Wochen den Hüttenkoller kriegen würde.

Also, ihr Introvertierte, die ihr glaubt, dass ihr es so schwer habt, Euch geht es echt gut. Wir, die von der Menschheit desillusionierten Extrovertierten sind es, die es schwer haben!