Ich hab ‘nen neuen Kunden, ich sag nicht wer sonst krieg ich Ärger, ich hab ja nicht umsonst eine dieser mittlerweile verpönten Geheimhaltungsvereinbarungen unterschrieben. Ist im Geschäftsleben ja an sich auch nichts Ungewöhnliches, im Laufe der Jahre hab sicher schon gute zwei Duzend von den Dingern unterschrieben. Im Privatleben ist das was anderes, gewöhnlich, wenn man Affären hat, mit Pornostars oder wem auch immer, schaltet man ja keine Anwälte mit Geheimhaltungsvereinbarungen ein. Aber das ist eine andere Geschichte, ich wollte nicht über den beschissenen Präsidenten schreiben sondern über meine neue Liste der Verbotenen Worte.

Für den neuen Kunden schreibe ich über ein an sich ziemlich neutrales Thema, es geht um klinische Forschung. An sich neutral, aber so einfach ist es leider nicht. Es geht speziell darum, das Minderheiten in der klinischen Forschung nicht adequat vertreten sind. Ich mein’ jetzt nicht als Wissenschaftler – das wahrscheinlich auch – sondern als Teilnehmer, z.B. in klinischen Studien.

Das hat jede Menge Nachteile für alle, vor allem aber für die betroffenen Minderheiten, also Schwarze, Indianer, Latinos, die Jungs und Mädels aus dem Südpazifik, also Tonga und so. Und hier schon sind wir Mitten im Problem, dass sich mittlerweile auch im Deutschen eingeschlichen hat: kann ich eigentlich überhaupt noch Indianer sagen? Oder Schwarze?

Wenn das schon im Deutschen fraglich ist, dann stellt euch bitte mal vor, liebe Leser, wie das hier zugeht. Schreiben über dieses Thema ist ein richtiggehendes Minenfeld. Ich sag ja nicht, dass das schlecht oder falsch ist, oder das ich ein philosophisches Problem damit hab. Mein Problem ist eher praktischer Natur: so ziemlich alle Wörter, die mir ganz spontan und nach reiflicher Überlegung einfallen, sind auf der “Liste der Verbotenen Worte”, die mir der Kunde mit meinem ersten Auftrag zugeschickt hat.

Sowas wie “Blacks” oder “Indians” wäre mir eh nicht in den Sinn gekommen. Ich wollte eher Worte wie “Minderheiten” benützten – leider, leider, ist “Minderheiten” ziemlich weit oben auf der Liste der Verbotenen Worte. Stattdessen wurde mir ein klotzige Phrase “racial and ethnic minorities” also “ethnische and rassische Minderheiten” aufs Auge gedrückt. Schreib mal einer einen einigermassen kurzen Satz mit dem Ungetüm drin. Vor allem, da es ja ständig darum geht und so jeder zweite Satz “ethnische and rassische Minderheiten” beinhaltet. Alternativ darf ich auch “communities of color” oder “non-Caucasian communities” sagen. Wenn ich die beiden jetzt übersetze klingen die für meine Ohren schon fast rassistisch. Also lass ich’s. Ich find es klingt auch im Amerikanischen nicht gut, aber bitte.

Diversity! Ein nicht stereotypisches Bild zu finden ist praktisch unmöglich!

Caucasian jedenfalls ist der Amerikanische Ausdruck für Weisse. Frag jetzt bitte keiner warum, hab ich noch nicht nachgesehen, aber jedesmal wenn ich das irgendwo ankreuzen muss will ich dazu schreiben “ich bin nicht aus dem Kaukasus”.

So, hier steh ich also mit dem Auftrag über die Benachteiligung von Minderheiten (oh je) in klinische Studien zu schreiben und zwar so, dass es meine Oma selig verstehen würde, aber ich darf nicht Minderheiten sagen. Ich darf auch nicht Patienten sagen (Menschen, die mit Krankheit leben …), Probanden schon gar nicht, auch nicht klinische Versuche, sondern nur klinische Studien. Die Liste der verbotenen Worte ist recht lang.

Ich versteh das Problem ja zum grossen Teilen, man will und muss vorsichtig sein. Aber schön schreiben ist mit solchen Limitierungen eher schwierig.

Lecker, lecker Kuhsaft

Vor allem, und das kommt jetzt noch sehr erschwerend hinzu, weil ich in dem Zusammenhang notwendigerweise darüber schreiben muss, dass es genetische Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen/Völkern gibt. Ist halt so, ist auch kein Geheimnis, das Beispiel mit der Milch kennt jeder. Die meisten Asiaten (das heisst geschätzte 90%), Afrikaner, sowie die Ureinwohner Amerikas können keine Milch vertragen, weil ihnen das Enzym zum Abbau des Milchzuckers fehlt. Wir “Kaukasier” hingegen vertragen den Kuhsaft gut, nur 4% der Schweden (kaukasischer geht’s fast nicht) vertragen keine Milch.

Milch ist nur ein Beispiel. 75% der Einwohner der pazifischen Inseln, z.B. können ein bestimmtes Medikament nicht verstoffwechseln, was zu Komplikationen bei Angioplastie OPs führen kann. Solche Beispiele gibt es noch viele.

So jetzt schreib mal darüber, dass Schwarze, pardon, communities of color, andere genetische Varianten haben als Weisse und tu das so, dass auch dem Letzen nicht in den Sinn kommt, dass Du damit irgendwas rassistisches sagen wolltest.

Drahtseilakt, kann ich nur sagen.

Ok, das Viech hat jetzt gar nichts mit dem Blog zu tun. Ich hab das Bild zufällig gefunden, als ich den Suchbegriff “Milch” eingegeben hab und fand es einfach zu cool, um ihm nicht einen Platz in meinem Blog zu schaffen.