Die Schmierenkomödie in Washington geht weiter. Mit TrumpCare erstmal tot zeigt jetzt jeder auf jeden anderen und versucht die Schuld abzuwälzen. Mittlerweile quellen Twitter und Facebook (jedenfalls meins) über mit hämischen Witzen, beissenden Kommentaren und bösen Cartoons. Wenn’s nicht so ernst wäre, wäre es amüsant.
Ich war heute mal wieder auf dem Flohmarkt. Hin und wieder hat da so ein ziemlich verrückter Kerl einen Stand, auf dem er Zeug verkauft, dass man in der Endzeit zum Überleben braucht und der ausserdem glaubt, dass die Endzeit nah ist und die guten bald “Heim” gehen. Normalerweise lass ich mich mit dem auf keine Diskussionen ein, der ist sogar mir zu verrückt und Endzeitgerede kann ich ohnehin nicht ausstehen. Aber heute überraschte er mich doch, als er meinte “Trump zerstört dieses Land.” Ich war erstmal sprachlos, von so einem Menschen würde man eher Lobeshymnen auf Trump erwarten aber er setzte noch einen drauf und meinte “Trump ist unser Verderben.” verdutzt konnte ich nur noch sagen “Da geb ich Dir völlig recht. Schönen Tag noch!” und abhauen.
Ich war dann doch erstaunt, dass selbst die zertifizierten Verrückten, die Überlebenspacks und Schrauben aus den 60ern (“die sind noch in den USA gemacht, nicht in China”) auf dem Flohmarkt verkaufen, jetzt schon ohne Umschweife zugeben, dass die Orange Gefahr im Weissen Haus unser Verderben ist.
TrumpCare – ein Debakel
Die letzte Woche war eine einzige Katastrophe für die Regierung und die Republikaner und als liberale Küstenkalifornierin muss ich mich verdammt zusammennehmen, um nicht selbstgefällig zu werden. Es ist einfach zu schön, zuzusehen, wie sie sich gegenseitig ein Bein nach dem anderen stellen. Sieben Jahre lang haben die Republikaner versucht Obamacare zu Fall zu bringen, es gab zig Abstimmungen, bis zum Obersten Gerichtshof ging die Sache – aber es gelang ihnen nicht. Dann wurden im Wahlkampf wilde Versprechungen gemacht, sofort, am ersten Tag noch würde ObamaCare zu Fall gebracht werden, was besseres, tolleres, billigeres würde den Platz einnehmen. Paul Ryan hat jahrelang darauf gewartet. Ihm, einem der schlimmsten Soziopathen unter den Republikanern, konnte es nicht schnell genug gehen und so hat er recht bald einen Vorschlag aus der Tasche gezogen. RyanCare oder TrumpCare, so genannt hauptsächlich, weil Trump das nicht wollte, war ein fieses Machwerk, das unter dem Schlagwort “choice” (also Wahl, im Sinne von eine Wahl haben, sich zwischen verschiedenen Dingen für das Beste entscheiden können) viele wichtigen und lebensrettenden Programme abschaffen sollte, bei Armen, Alten und Schwachen sparen sollte und als Ausgleich Steuerersparnisse versprach.
TrumpCare Basis: Gesundsheits-Sparanreize
Statt Krankenversicherungen, die im Falle einer Krankheit zahlen, wollten sogenannte “Gesundheitssparbücher” eingeführt werden. Die Idee ist, dass man monatlich einen Betrag steuerfrei zurücklegt, den man im Krankheitsfalle für die Kosten nützt. So kann jeder sparen, soviel er will und für seine eigenen Kosten verantwortlich sein. Klingt toll, oder? Nein, eben nicht. Zusätzlich zu einer Krankenversicherung schon, aber nicht anstatt.
Viele verdienen nicht genug Geld oder haben nicht die nötige Disziplin genug wegzusparen. Kann man auch nicht immer verurteilen, wenn man die Wahl hat zwischen was zu Essen kaufen und für einen Krankheitsfall zu sparen entscheiden sich die meisten für das Essen. Viele Menschen, die wenig verdienen und krank sind (oder wenig verdienen weil sie krank sind) können niemals genug sparen, um die Kosten zu bezahlen. Was es natürlich bringt, sind Steuerersparnisse für diejenigen, die genug Geld haben, grosse Summen zur Seite zu legen.
So divers und vielfältig sind die Gremien, in denen über die Gesundheitsvorsorge von Frauen entschieden wird (Ironie-Alarm)
Weiterhin sollten bei TrumpCare für Versicherungen die Mindestanforderungen gesenkt werden. Die Liste der Dinge also, die dann nicht mehr von den Krankenkassen abgedeckt werden müssen. Ganz oben auf der Liste standen natürlich wie immer, wenn hauptsächlich alte Männer über sowas diskutieren, Leistungen wie Mammographien und generell alles was mit Frauen zu tun hat. “Warum” hat sich irgendwo ein erzkonservativer Arsch nicht entblödet zu sagen “sollen Männer für Schwangerschaftsvorsorge zahlen, wenn sie nicht schwanger werden können?’ Nee, echt jetzt, das ist kein Scherz, solche Argumente wurden gebracht und waren ernst gemeint. Das kommentier ich jetzt noch nicht mal, das ist mir zu blöd.
TrumpCare: Ärger auf der liberaleren Seite
Es dauerte nicht lange, bis eine erschreckende Zahl herumging: Über 10 Jahre würden 24 Millionen Menschen ihre Krankenversicherung unter TrumpCare verlieren. Die Mehrheit davon lebt – jetzt darf geraten werden wo – ja genau, in Teilen des Landes, die Trump gewählt haben. Da gibt es Bezirke, die ein Republikaner nur knapp gewonnen hat und die bekommen plötzlich Emails und Anrufe von ihren Wählern, die ihre Krankenversicherung nicht verlieren wollten. Wenn sie auch noch einigermassen anständige Menschen sind haben die dann gesagt “ich kann nicht für TrumpCare stimmen, die wählen mich 2018 sonst nicht mehr.”
TrumpCare: Areger am rechten Rand
Am rechten Rand braute sich auch Ärger zusammen: denn ganz Wahnsinnigen ging das alles nicht weit genug, mehr kürzen, mehr sparen, weniger Leistungen, jeder soll für sich selbst bezahlen. Weitere Kürzungen wurden kurzfristig eingefügt, um diese Psychopathen zu beruhigen: Kinderarztbesuche sollen nicht mehr abgedeckt sein, Labortests auch nicht, keine Drogenbehandlung mehr, keinen Notfallmedizin, etc.
Das Problem war aber: den Rechten ging es immer noch nicht weit genug und je mehr Konzessionen rechts gemacht wurden desto mehr Ärger gab es am liberalen Ende. Die Republikaner hatten sich in eine klassisches Schachmatt hineinmanövriert, oder um es mal in Business School Jargon auszudrücken: das war eine zero-sum (Nullsummen) Situation. Was immer eine Seite gewann, verlor die andere. Jeder, der auch nur das mindeste von Verhandlungstaktik versteht, weiss, das man sowas vermeiden muss wie die Pest. Jeder muss aus einer Verhandlung kommen und etwas gewonnen haben. Dann klappt es, sonst nicht.
Es hat nicht geklappt, trotz massiver Drohungen von Trump, musste die Abstimmung abgeblasen werden, weil TrumpCare nicht genug Stimmen bekommen hätte. Extrem peinlich ist noch vorsichtig ausgedrückt.
Einer der Twitterer, die ich verfolge, er gibt an, dass er ein Berater im Weissen Haus ist, der heimlich über Interna twittert, behauptete heute, dass Trump darüber nachdenkt, Ryan dazu aufzufordern zurückzuteten. Das wäre toll! Und wenn’s denn so kommen sollte, bitte erinnert Euch, ihr habt es zuerst von mir gehört.
TrumpCare Quizfrage
So, und zum Abschluss jetzt noch eine Quizfrage: “Wer ist laut Trump, schuld an dem ganzen Debakel um TrumpCare?”
Wer “die Demokraten” geantwortet hat bekommt 100 Punkte. Klar, die Demokraten, weil sie nicht für TrumpCare gestimmt haben. Ist doch klar. Ich warte nur darauf, dass auch noch Barack Obama und Hillary Clinton persönlich genannt werden. Kommt sicher noch.
Barack, Mann, ich vermiss Dich!
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