Eine Konstanzerin in Kalifornien

Kalifornien Brennt

Als wir am Montag morgen aus dem Haus sind, um in die Schule zu fahren roch es brenzlig.  “Boah” sagte ich zu meinem Sohn “OJ (der ziemlich verrückte Nachbar) hat mal wieder den Kamin angefeuert, der Blödmann!”  Dann fuhren wir los und mit einem Ohr – das Kind hat mal wieder nonstop geredet – hab ich vom Verkehrschaos in der Nord-Bay gehört. Auf dem Rückweg – ohne Kindergeschnatter – hab ich dann endlich kapiert: ich muss mich bei OJ entschuldigen. Es war nicht er, der gezündelt hat: Kalifornien brennt.

Kalifornien brennt

Anfang September waren wir unsere Freunde in Sonoma besuchen.  Jedes mal wenn ich dort bin, will ich nicht mehr weg: es ist ruhiger und unaufgeregter, irgendwie europäischer.  Dass sie einen wunderschönen Garten und ein tolles Haus haben schadet auch nicht.  Sogar ihr Pool ist deutlich besser als unserer.

Jetzt sind sie evakuiert, das Feuer brennt direkt hinter dem Hügel hinterm Haus und ich weiss nicht, was damit ist, denn ich hab jetzt schon seit zwei Tagen nichts mehr gehört. Wahrscheinlich deshalb, weil sie es selbst nicht wissen.  Zum Glück haben sie genug Geld und sind in San Francisco in Sicherheit – viele geht es nicht so gut.

Die Bilder aus Santa Rosa, ohne Verkehr gute anderthalb Stunden nach Norden von hier, sind apokalyptisch.  Und ich sag das jetzt nicht weil’s dramatisch klingt.

Kalifornien brennt

Santa Rosa vorher

 

Kalifornien brennt

Santa Rosa nachher

Ganze Strassenzüge sind abgebrannt, Ruinen von Häuser stehen da noch, verkohlte Bäume und ausgebrannte, geschmolzene Autos. Asche und gefährlicher Rauch wabbert, ein unheimliches gelbliches Licht liegt über allem.  Weingüter sind zerstört und vermutlich so ziemlich die gesamte Weinernte.  Auch wenn die Reben nicht abgebrannt sind, den Rauchgeruch werden die Trauben nicht mehr los. Selbst der Wein, der in Eichenfässern reift, ist vermutlich zerstört, da dringt der Rauch durch.  Menschen, die aus dem Schlaf gerissen, nur ein paar Dinge zusammengerafft haben stehen vor dem Nichts: kein Haus, eine Kleider, nichts, absolut gar nichts ist übrig geblieben.

Ich war gestern beruflich in San Francisco: über der ganzen Stadt lag Rauch und jetzt rieche ich ihn auch wieder hier unten in der Süd-Bay, wenn ich das Fenster aufmache.

Kalifornien brennt

Ich hab Berichte am Radio gehört von Leute, die vom Rauchgeruch aufgewacht sind und innerhalb von Minuten die Entscheidung treffen mussten ihr Haus zu verlassen und entscheiden musste wohin sie gehen. Informationen waren, wie in solchen Situationen häufig, nicht zu bekommen. Winde von 50 Meilen die Stunde fachten die Flammen an und da sie ständig die Richtung wechselten wusste man nie, in welche Richtung man fliehen soll. Einer der seine Geschichte am Radio erzählte sagte sie seien an die Küste geflüchtet. Am Meer, so dachten sie, seien sie sicher.  Waren sie dann auch.

Evakuierungslager in Schulen und Gemeindezentren sind eingerichtet und die vielen Feuer brennen immer noch weitgehend ungehindert.  Am Montag war wegen des vielen Rauches aus der Luft praktisch nichts zu machen und ausserdem waren die Feuer so heiss, dass das Wasser aus den Helikoptern einfach verdunstete. Feuerwehrleute arbeiten mittlerweile in der dritten Schicht ohne Schlaf und versuchen Menschen zu retten.  Oft können sie Häuser nicht retten, sie versuchen es noch nicht einmal, da es bei dem Ausmass dieser Katastrophe nicht genug Rettungspersonal uKalifornien brenntnd -fahrzeuge gibt muss man Prioritäten setzen: Mensch vor Häuser. Klar aber trotzdem tragisch, wenn es Dein Haus ist das brennt und vielleicht gerettet werden könnte. Mittlerweile sind Feuerwehren aus ganz Kalifornien eingetroffen, man sieht Wägen aus LA, aus Kern County und anderen Plätzen und man weiß, dass die viele Stunden gefahren sein müssen, um überhaupt anzukommen.

Und wie immer kann man nichts tun.  Der erste Impuls ist: hinfahren, helfen.  Aber im Radio und die Hilfsorganisationen am Internet sagen: nicht kommen, wir sind überwältigt, wir können nicht auch noch hunderte von Freiwilligen verwalten. Dann dachte ich: Hilfsgüter sammeln, hier in der South Bay, geht sicher schnell über Nextdoor oder Craigslist oder was auch immer und dann hinfahren.  Hätte ich gemacht, soll man aber auch nicht.  Verstehe ich ja, die können jetzt nicht auch noch zentnerweise gebauchte Klamotten brauchen in dem Chaos. Die Hilflosigkeit ist schrecklich aber natürlich nicht zu vergleichen mit der, der Menschen die alles verloren haben oder noch um ihre Häuser bangen.

Eine Freundin vom MIT wohnt auch dort oben, sie postet Updates.  Der letzte war: das Feuer ist jetzt nur noch eine Viertelmeile von unserem Zuhause.

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Noch ein paar schockierende Bilder, die das Ausmass der Katastrophe wiedergeben:

Kalifornien brennt

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Update am Freitag, 13. Oktober

über der gesamten Bay Area auch hier unten wabbert der Rauch.  Asche rieselt langsam zu Boden und die Luftqualität ist anscheinend so schlecht wie in Peking. Ich hab eben Gesichtsmaken bestellt.

Zwei der zahllosen Feuer sind jetzt besser unter Kontrolle, andere brennen nach wie vor ungehindert.  Feuerwehrleute aus anderen Staaten und vom anderen Ende Kaliforniens sind eingetroffen, die kalifornische National Guard, sowie Feuerwehrleute der Forstverwaltung.  Das Haus meiner MIT Freundin ist vermutlich von der Truppe aus San Diego gerettet worden.  Jedenfalls bislang.  Sonoma steht noch, das war gestern nicht klar, diese hübsche kleine Stadt hätte komplett abbrennen können. Bilder meiner anderen Freundin zeigen Flugzeuge, die flammenhemmende Substanzen abwerfen. Auch ihr Haus steht noch, soweit ich weiss.

Gestern hab ich hier bei den Nachbarn Hilfsgüter gesammelt und zu einer Frau gebracht, die wiederum Kontakte hat.  Die ehemalige Grundschule meines Sohnes sammelt auch.  Da werde ich heute nochmal was hinbringen.

Es kann noch mal schlimmer werden, sagen sie am Radio, es soll am Wochenende wieder starke und trockenen Winde geben. Wenn ich religiös wäre würde ich jetzt sowas wie “God help us all” sagen.  Bin ich aber nicht und muss somit selbst irgendwas tun.

 

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3 Comments

  1. MIRIAM

    MIR TUT DAS SEHR LEID UND HOFFE DAS ES DEN MENSCHEN DORT BALD BESSER GEHT UND DAS SIE EINE UNTERKUNFT FINDEN UND DASS ALLE BRÄNNDE GELOSCHT WERDEN

    • Californiagirl

      Ja, es ist schrecklich, auch jetzt noch, oder gerade jetzt, wo die Katastrophe aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Es wird viel gesammelt hier, aber das ist natürlich alles nur ein Tropfen auf den heissen Stein wenn so viele menschen alles verloren haben.

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