Eine Konstanzerin in Kalifornien

Kreativität ausserhalb der Box

KreativitätWie überall gibt es auch hier Redewendungen, die sehr viel benützt, vielleicht sogar schon überstrapaziert werden und von denen man nicht so genau weiss, wo sie herkommen.  Muss man auch nicht bei allen.  Hier sind zwei, die mit Kreativität zu tun haben.  Sie werden sehr häufig benützt und deshalb ist es gut, wenn man sie versteht.

Beide dieser Redewendungen zum Thema Kreativität kenn ich mehr oder vom ersten Tag hier in den USA, angefangen als ich als Studentin nach Boston kam, dann im Beruf und jetzt höre ich sie von meinem Sohn aus der Schule.

Redewendung 1: coloring outside the lines
Kreativität

Hier hat jemand ausserhalb der Linien gemalt! Bildquelle

 

Coloring outside the lines heisst wörtlich übersetzt außerhalb der Linien malen.  Diese Redewendung geht natürlich auf die Malbücher unserer Kindheit zurück, als wir angehalten wurden nur innerhalb der Linien zu malen.  Das Kleid der Prinzessin oder das süße Welpen sollte ja ordentlich aussehen und wir mussten unsere Feinmotorik üben und nicht einfach über alles drüberschmieren.

Was damals schlecht war, nämlich ausserhalb der Linien zu malen, wird irgendwann so im frühen Erwachsenenalter gut.  Da man dann davon ausgeht, dass wir alle wunderbar vorgegebene Felder auspinseln können (was die momentane Besessenheit mit Erwachsenenmalbüchern ja beweist – oder sind die auch schon wieder out?) ist plötzlich was anderes gefragt: Kreativität. Ausserhalb der Linien zu malen ist ein Zeichen dafür, ausserdem ein Zeichen von Unerschrockenheit und einem gewissen Wagemut, da man sich ja – im übertragenen Sinn – über Konventionen hinwegsetzt und was anderes macht. Coloring outside the line ist dann plötzlich gefragt.

Redewendung 2: Thinking outside the box

Wenn die erste Redewendung zu häufig benützt wird ist thinking outside the box mittlerweile zum Cliche verkommen. Wörtlich bedeute es “ausserhalb der Box denken” und damit im Prinzip etwas ähnliches wie coloring outside the lines, nämlich eine unerwartete und ungewöhnlich Lösung finden.  Für mich hat das mit dem Malen eher mit Kreativität, die Redewendung mit der Box eher etwas mit Innovation, also angewandter Kreativität, zu tun.  Thinking outside the box ist deshalb eine so clicheehafte Redewendung, weil es genau das ist, was man von einem Silicon Valley Jungunternehmer erwartet: dass er/sie eine Lösung findet, die genial, vielleicht sogar genial einfach ist indem er/sie das Problem von einer andern Seite angeht und eine Lösung findet, die nicht auf der Hand lag.

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Das Neun-Punkte-Problem

Auch diese Redewendung hat einen Ursprung.  Er liegt in der Lösung des neun-Punkte Rätsels.  Die Aufgabe ist, alle neun Punkte in einer 3 x 3 Anordnung mit 4 oder weniger geraden Linien zu verbinden, ohne dabei den Stift abzusetzen und ohne eine Linie mehrmals zu benützen.

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Eine von vielen möglichen Lösungen

Wer es versucht wird schnell feststellen, dass es entweder nicht so einfach ist oder nicht geht.  Die Lösung des Rätsels liegt – ganz konkret – ausserhalb der Box.  Nirgendwo wird gesagt, dass die Linien, die man benützt, nicht ausserhalb der 3 x 3 Box liegen dürfen.  Eine Lösung ist also die folgende:

Natürlich gibt es andere Lösungen, z.B. könnte man einen sehr dicken Stift nehmen und alle Punkte auf einmal abdecken, oder man könnte das Papier geschickt falten, so dass die Punkte übereinander liegen und sie dann mit einer Linie verbinden.  Wenn man erstmal anfängt ausserhalb der Box zu denken, wird es mit der Zeit einfacher.  Das Schwierige ist erst einmal zu sehen, dass es eine Box gibt, in der man denkt und dann zu verstehen, wo die Box ist und dann eine Lösungen zu finden.

Die Redewendung an sich find ich gut und treffend, ich hab sie nur gefühlte 10.000 mal zu oft gehört.

So, das wars für heute, ich geh jetzt mal ein bisschen ausserhalb der Linien malen.

 

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2 Comments

  1. Eric

    Das erinnert mich an unser Patenkind.
    Die Kleine ist 3 und kennt auch keine Grenzen, wenn Sie den Stift in der Hand hat. 🙂
    Was sagt uns das? Back to the roots!
    Manchmal es einfach, einfach machen. In unserer komplizierten Welt, gar nicht so einfach. 😉

    • Californiagirl

      Das ist ein Süßes Alter. da sind sie noch so ganz unbeeinträchtigt davon, wie man Dinge machen soll oder nicht soll. Lass sie nur malen. Obwohl ich sagen muss, dass die ganzen Feinmotorik-Uebungen, die Max las Kleinkind gemacht hat (30 Striche in einer Box von oben links nach unten rechts, dann oben rechts nach unten links, Plastikkulleraugen auf duzende von gemalten Kücken aufkleben, etc.) auch nicht schlecht waren. Wahrscheinlich ist es am besten von beidem was zu machen.

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