Nein, hier schneit es nicht. Gestern sah es mal kurz nach Regen aus, ein paar Tropfen haben uns sogar erwischt und mein Bub wollte – ganz der Kalifornier – sofort die Fahrradtour abbrechen, bei dem Sauwetter. Aber ich war gnadenlos, wir fuhren weiter und haben uns nebenher über die anderen Schneeflocken unterhalten.

Schneeflocken

Schneeflocken, Bildquelle

Ich hab ja Schneeflocken, also snow flakes, schon hier, im Zusammenhang mit neuen Worten im Oxford Dictionary erwähnt. Als Schneeflocken/snow flakes werden übertrieben sensible Leute, deren Gefühle leicht verletzt werden und die ungern das führen, was mein früherer Boss immer als “robuste Diskussionen” bezeichnet hat. Das Wort ist nicht wertungsfrei, es wurde von den Rechten erfunden, um sich über Liberale lustig zu machen. Das sind die gleichen Kreise, die finden alles politisch Korrekte sei schlecht und dass man keine Rücksicht nehmen muss und darf. Wenn jemand es beleidigend findet, wenn der Präsident afrikanische Nationen als shit holes bezeichnet, Pech gehabt, Schneeflocke, reiss dich zusammen und sei kein so ein politisch korrekter Waschlappen.

Wie so oft – und speziell bei kleinen Kindern und Republikanern – wird geglaubt, dass  es vollkommen okay ist, wenn man austeilt. Aber wehe, wenn man man einstecken muss, dann bricht die Hölle los.

White House Correspondent Dinner

Die Hölle brach am Samstag Abend los. Da war das jährlichen Korrespondenten Dinner, das traditional vom Präsidenten mit seiner Anwesenheit beehrt wird. Die Idee ist, dass man sich lustig macht, Scherze, nicht immer ganz harmlose über Politiker, einschliesslich des Präsidenten macht und hinterher alle ein bisschen was zum Denken haben und die Nation ihren Spass hatte. 

Trump das Dinner – wie auch letztes Jahr – nicht besucht. Als Narzisst kann er es nicht ertragen, wenn ihn jemand kritisiert, vor allem in der Öffentlichkeit aber eigentlich überhaupt. Deshalb ist er also nach Washington, Michigan geflogen und hat da vor lauter grölenden Anhängern eine seiner beliebten Rallyes gehalten. Da kam der ganze alte Blödsinn aus den Wahlkampftagen wieder hoch “Hillary die Landesverräterin”, “Die Medien sind der Feind des Volkes” (klingt irgendwie sehr bekannt, so ca. 30er Jahre des 20. Jahrhunderts). Etc., etc. – ich will den Scheiss gar nicht wiederholen. 

Währenddessen hatte in Washington, DC Michelle Wolf, eine Komödiantin, die auch hin und wieder bei Trevor Noah auftritt, das Mikrophone. Ich sag’s gleich vorneweg, die Stimme der Frau treibt mich in den Wahnsinn, hoch und schrill und zum Teil ziemlich genuschelt und ihre Art Witze zu erzählen und ihre Kommentare find ich häufig nicht besonders gut. Einfach nicht mein Stil. Muss ja auch nicht. 

Ihre Kommentare waren bös. So sagte sie ganz zu Anfang: “als kurze Erinnerung: Ich bin hier um Witze zu machen, ich habe keine Agenda, ich versuche nicht irgendwas zu erreichen, deshalb sollten sich alle Mitglieder des Repräsentantenhauses, die hier sind, gleich ganz wie zu Hause fühlen.” Sie hatte auch ein paar Seitenhieb gegen die Liberalen, damit es schon gerecht bleibt. Na ja so ungefähr mindestens, aber meistens ging es gegen die regierende Partei, also die Republikaner.

Schneeflocken

Die netten Zeitgenossen, die jetzt schreien, dass Sanders so schlecht behandelt wurde. Bildquelle

So, und dann kam der Teil, über den sich die “Trump Won, Suck it up, I don’t give a fuck about your feelings” (Trump hat gewonnen, akzeptiere es, Deine Gefühle interessieren mich einen Scheiss) Truppe so fürchterlich aufregt: sie machte sich über Sarah Huckabee Sanders, “unsere” Pressesprecherin lustig. Über SHS kann man viel sagen, dass sie ein netter Mensch ist und versucht die Wahrheit zu sagen gehört nicht dazu. Sie lügt jeden Tag für Trump, manchmal schamloser, manchmal verschämter, aber ihr ist keine Lüge zu offensichtlich oder absurd. Ihr Umgangston mit der Presse ist herablassend und aggressiv. Wenn ich SHS im Dunkeln begegnen würde, wäre die Versuchung gross ihr tüchtig einen in die F…. zu geben – Ihr versteht schon. 

Sie verglich Sanders mit Aunt Lydia, einem Character aus der dunklen TV Serie “Handmaid’s Tale” (Der Report der Magd), Aunt Lydia ist eine brutale Aufseherin, die die jungen Frauen, die Gebärfähigen, den Glauben und die Gebote des Regimes eintrichtert, notfalls auch mit Gewalt und Folter. Aunt Lydia lügt, betrügt, unterdrückt im Name der Herrscher. Wenn man sich Sanders Verhalten ansieht ist der Vergleich frappierend passend. Auch sie lügt jeden Tag für den Herrscher. 

Schneeflocke

das perfekte “smokey eye”. Bildquelle

Dann sagte sie noch: “Ich mag Sarah eigentlich, sie ist sehr einfallsreich, sie verbrennt Fakten und mit der Asche schminkt sie sich die Augen perfekt.” Aus Englisch klingt das irgendwie besser, ich kann auch smokey eye nicht so richtig übersetzen, das ist halt eher dunkles, dramatisches Augenmake-up.

Das fand ich alles akzeptable, böse zwar, aber so soll es sein, Sanders hat es verdient und das schlimme F-Wort, das jeder Drittklässler benützt, kam auch nicht vor. 

Und dann brach der Sturm der Entrüstung los. Das der persönliche Angriff auf SHS unter aller Sau sei, unglaublich, unflätig, soweit unter allem Niveau dass es weiter gar nicht mehr ginge, etc. abscheulich, empörend, unerhört, etc. 

Dabei darf man nicht vergessen, wie die Rechte Michelle Obama behandelt hat. Sie wurde als Affe in hohen Hacken bezeichnet, als hässlich, ein Mann – und das ist nur eine kleine Auswahl. 

Auf einmal darf man keine Gefühle verletzen, denn es sind ja die auf der eigenen Seite. Vorher waren das alle verweichlichte liberale Schneeflocken, die sich über alles echauffieren und die Wahrheit nicht hören wollen und plötzlich ist man rechtschaffen empört über soviel Bosheit – und dass alles wegen “smokey eyes” und Aunt Lydia – verglichen mit “Affe”.

Ich sag’s jetzt mal ganz so wie es die Rechten angeblich gerne haben, aber dann doch eher wieder nicht – also ganz unverblümt: ihr kotzt mich an, Idioten, Waschlappen, selbstgerechte Schneeflocken.