ZeitzonenIch habe diesen Trip schon dutzendemal gemacht: San Francisco – Zürich – San Francisco und trotzdem verwundert es mich immer wieder, wie schnell und gleichzeitig langsam es von statten geht, wenn man innerhalb von 11 1/2 Stunden durch 9 Zeitzonen und so ca. 6000 Meilen transportiert wird.

Ich kann es wirklich nicht mehr zählen, wie oft ich die Reise von 9 Zeitzonen von San Francisco nach Zürich und zurück schon angetreten habe.  Dutzendemal sicher.  Wenn es geht direkt, sonst über Frankfurt oder Muenchen, oder London, wenn es sich nicht vermeiden lässt.  Allein, mit meinem Mann, meinem Sohn oder beiden.  Einmal, das weiss ich noch, bin ich mit meinem Sohn allein über London geflogen, der Kleine war damals gerade so ca. 15 Monate und war im Landeanflug auf London endlich eingeschlafen, nachdem er sich und mich zuvor die gesamte Zeit mit seiner irren “Wurschtelei” wach gehalten hat.  Da hatte ich ihn also im Waegelchen, selig schlummernd, selbst todmüde mit einem Rucksack und einer Handtasche in London und stand vor einer langen Treppe.  Einen Aufzug gab es nicht, die Dame in offiziellem Kostüm, die oben stand, zuckte nur die Schultern als ich fragte, wie ich denn da jetzt bitte schön runter kommen soll. Hilfe hat sie mir keine angeboten.  Ich weiss nicht mehr ganz genau, wie ich runter gekommen bin, vermutlich habe ich mir die Tasche umgehängt und den Wagen gepackt und hab mir einen abgeschleppt.  Das war einer der vielen Male, an denen ich völlig verschwitzt und zum Umfallen müde in Zürich ankam und von meiner Mutter und Freundin – mit einer Butterbrezel und Apfelschaftschorle zur Begrüßung – abgeholt wurde.

Die Dynamik der Zeit
Zeitzonen

Essen im Flugzeug, nie ein Vergnügen. Bei Swiss muss man die labbrige Bratwurst auf jeden Fall vermeiden. Bildquelle

Gestern war es also wieder soweit und es war kein schlimmer Flug; voll halt, aber wann sind sie das nicht?  Wenn man meist die gleiche Fluglinie fliegt lernt man ja was, in meinem Fall, dass man auf keinen Fall bei der Auswahl, die labberige Bratwurst nehmen darf und dass ich die 2 Stunden vor der Landung angebotene Minipizza auf keinen Fall essen darf – danach fühle ich mich immer scheusslich.  Ausserdem: mehr als zwei kleinen Flaschen Alkohol sind schlecht, aber zwei sind optimal, wenn man danach schlafen will.  Schlafbrille und Ohrenstöpsel sind ein Muss.  Die Ohrenstöpsel hab ich früher nie genommen, jetzt immer, dann dröhnen die Motoren nicht so und man kann auch den Schnarcher zwei Reihen weiter hinten oder vorne ausblenden (es gibt immer einen).

Heute speziell: Robert Redford

Auf den letzten beiden Flügen gab es vom Programm her was besonderes: nachdem lange alle Bond Filme zu haben waren (was nur bedingt toll war, weil ich alle mit Daniel Craig schon mindestens fünf mal gesehen habe und nicht für alle anderen nur maessig interessiere) gab es jetzt jede Menge klassische Robert Redford Filme zu sehen.

Zeitzonen

Immer noch einer der Schönsten: Robert Redford als Denys Finch-Hatton

Ich hab mit “Der Kandidat” und “All the President’s Men” angesehen – fand ich angemessen in der jetzigen politischen Lage.  Als besonderes Schmankerl, wie mein österreichischer Mann sagen würde, hab ich mir Out of Africa/Jenseits von Afrika mit Meryl Streep und Robert Redford angeschaut und mir ist plötzlich wieder eingefallen, wie vernarrt ich in Robert Redford war, als ich den Film zum erstmal gesehen habe.  Er ist auch unglaublich schön und interessant in dem Film!

Zeitzonen ziehen sich wie Kaugummi

Ausser meiner widererwachten frühen Liebe zu Redford hab ich auch mal wieder bemerkt wie merkwürdig die Zeit vergeht, während so eines Fluges.  Am Anfang erscheinen die 11 1/2 Stunden wie eine Ewigkeit, die man unmöglich überstehen wird.  Man schaut einen Film, isst das Essen, trinkt Weinfläschchen Nummer 1 und denkt ‘”jetzt sind wir aber bald da”, dabei sind eben 2 1/2 Stunden vergangen und wenn man Glück hat fliegt man über Island und hat aufgrund der Zeitzonen nicht die geringste Ahnung, welche Uhrzeit dort gerade ist.

Dann will man schon verzagen und verrueckt werden, beschliesst dann aber das noch ein wenig zu verschieben, stopft sich die Kopfhörer wieder rein und fängt den zweiten Film und die zweite Flasche an.  Dabei wird man wird müde, so richtig zäh, trinkt das Fläschchen aus und schafft es gerade noch den Film anzuhalten und die Decke auszubreiten bevor man einschläft.  Na ja, eindöst.  Man wacht ständig auf oder schläft nie richtig ein, es ist mehr so ein unter der Oberfläche dahingleiten, man trinkt öfter mal mit geschlossenen Augen aus der griffbereiten Wasserflasche (unbedingt immer eine griffbereit haben, die trockenen Flugzeugluft entwässert einem in kürzester Zeit) und döst dann wieder weg.  Wenn man Glück hat verschläft man die Vanille-Eiscreme, die sie so nach 2/3 der Strecke bringen (Zucker und fett sind nie so toll, wenn man nur herumsitzt) und dann wacht man irgendwann auf, und stellt fest, dass es noch 4 1/2 Stunden sind.  Jetzt schnell den zweiten Film zu Ende, denn man will ja noch unbedingt Jenseits von Afrika sehen!

Die Zeit vergeht erst zäh dann plötzlich schnell

Danach geht es dann irgendwie schnell, alle paar Minuten Ansagen darüber, wie das Wetter in San Francisco gerade ist, dass die Swiss es jetzt echt zu würdigen weiss, dass wir heute mit ihr geflogen sind, dass man Rückenlehnen hochstellen soll, etc.  Irgendwie sind gerade 11 Stunden im Getöse von Flugzeugmotoren vergangen aber da nichts passiert ist, ausser Robert Redford, ist diese Zeit zusammengeschrumpft zu fast nichts.  Man kann sie irgendwie an nichts festmachen.  Gerade war man noch in Zürich und hat sich mal wieder geärgert, dass man sich dort für den Internetzugang einen Pin schicken lassen muss, was irgendwie mit einem amerikanischen Handy nicht geht, und jetzt stolpert man in San Francisco aus dem Flugzeug und fragt sich bange, wie wohl die Schlange bei der Einwanderung heute aussieht.

Man hat eine Realität mit der anderen vertauscht und Zürich ist jetzt genauso weit weg, wie San Francisco auf dem Hinweg war, als man sich in Zürich aus dem Flugzeug wankte und sich wunderte, ob einem der Zug vom Terminal E zur Gepäckausgabe wieder vor der Nase wegfahren wird.  Man erinnert sich des Versprechens, das man sich selbst in Zürich gegeben hat “diesmal werde ich mir alles ganz frisch im Kopf behalten, den Bodensee, die Altstadt, der Duft in der Wohnung meiner Eltern, wenn meine Mama gerade backt, wie man mit den Rad die Radbrücke bei Nacht überquert, wie Brezeln schmecken und viele mehr.” Aber wenn man jetzt in San Francisco aus der Maschine stolpert ist alles so furchtbar weit weg, man denkt daran, dass man jetzt gerne mal wieder japanische Essen gehen wird, dass man die Garage aufräumen muss, daran wie die Sierra Nevada im Sommer riecht und dass man sicher erstmal Obst und Gemüse kaufen gehen muss, bei dem Laden, der auch deutsche Schokolade, israelisches Brot, russische Wurst und mexikanisches Gebäck hat.

Deutschland liegt gleichzeitig 12 Stunden in der Vergangenheit und aufgrund der Zeitzonen neun Stunden in der Zukunft und ist sehr weit weg.  Dabei ist man doch eben erst, vor einer kleinen Ewigkeit, in der nichts passiert ist, von dort aufgebrochen.