Eine Konstanzerin in Kalifornien

Small Talk – Eine amerikanische Kunstform

Heute ein Thema, mit dem viele Deutsche in den USA Schwierigkeiten haben, zumindest anfänglich: Small talk.  Es ist eine amerikanische Kunstform, an die man sich gewöhnen muss und mit der Zeit und gutem Willen beherrschen kann.

Small Talk

Das Wetter ist immer ein gutes, unverfängliches Thema

Amerikaner sind – meist – richtig gut im Small Talk machen.  Man steht irgendwo in einer Schlange, an der Kasse zum Supermarkt, zum Beispiel, und wird von einer wildfremden Person angesprochen.  Die Themen sind immer harmlos: das Wetter, oder dass die Schokolade, die man da gerade kauft die Lieblingsschokolade des Sohnes der Small Talkerin ist, oder dass es mal wieder super schwierig war einen Parkplatz vor dem Laden zu bekommen.

Small Talk ist ein normaler Teil des Lebens hier
Small Talk

In der Schlange stehe ist ein gute Gelegenheit für ein bisschen Small Talk

Das ist erstens ganz normal und zweitens weder böse gemeint, noch irgendwie komisch oder ein Zeichen, dass man es mit einer gefährlichen, geistig verwirrten Person zu tun hat.  Amerikaner sind einfach oft geselliger und finden es völlig normal fremde Leute anzusprechen, die um sie herum sind.

Das ist auch ausserhalb des strikt persönlichen Bereiches so.  Um beim Supermarkt zu bleiben: ich glaube ich habe in 10 Jahren nicht soviel mit deutschen Kassiererinnen und Kassieren geredet wie in Kalifornien in einer durchschnittlichen Woche.  Während die Produkte über den Scanner gezogen werden bleibt Zeit für einen Plausch.  Meist geht es los mit der Frage, ob man denn alles gefunden hat, was man braucht oder einem Kommentar des Kassierers, dass er auch immer dieses Brot kauft, weil es einfach das Beste ist.

Erlaubte und Unerlaubte Themen

Die Themen beschränken sich auf ein paar wenige harmlose, wie oben erwähnt: Wetter, Produkte, die man gerade kauft, Tips oder Hinweise, was man ausprobieren sollte, (positive) Kommentare zu Kleidung oder der Tatsache, dass das Kind sehr höflich scheint (hab ich tatsächlich schon öfter gehört, wundert mich selber!), vielleicht noch Bücher, die man gelesen hat, oder Filme, die einem gefallen haben.

Nicht erlaubt sind kontroverse Themen: alles was mit Politik und Religion zu tun hat ist aussen vor.  Man sollte sich auch davor hüten, allzu grobe oder offenherzige Kritik an irgendwas zu üben.  Wenn man den Rotwein, den der Kunde vor einem in der Schlange gerade überschwänglich lobt, für überteuerten Fussel hält, sagt man etwas Unverbindliches und wechselt das Thema.

Parties, Feiern, etc.

Auch bei Parties kommt die Kunst des Small Talks zum Einsatz.  Wenn es eine Einladung zum Essen im kleinen Kreis ist und man die Leute kennt oder es sogar Freunde sind gelten die Small Talk Regeln  nicht so strikt.  Wenn es eine grosse Party ist und man neue Leute kennen lernt fängt man eine Unterhaltung meist mit einem Satz wie “und woher kennen Sie den Gastgeber?” an.  Unverbindlich und man entdeckt vielleicht was Gemeinsames. Auch hier gilt es wieder, sehr kontroverse Themen erstmal zu vermeiden.  Wenn man irgendwann feststellt, das man politisch auf der gleichen Seite steht, kann das vorsichtig diskutiert werden.  Vorsichtig ist das wichtige Wort, denn da letzte was ein amerikanischer Gastgeber möchte, ist dass sich in seinem Vorgarten ein Demokrat und ein Republikaner eine lautstarke Wortschlacht leisten.  Das würde als extrem peinlich empfunden.

Arbeit
Small Talk

Bevor man sich an die Arbeit macht: ein bisschen Small Talk zur Auflockerung

Auch im Arbeitsleben kommt Small Talk häufig zum Einsatz.  Bevor eine Besprechung richtig losgeht wird erstmal ein bisschen geplauscht: wie war das Wochenende, gehts der kranken Katze wieder besser, es ist wirklich viel zu heiss für diese Jahreszeit, etc. Das schafft eine gute Stimmung und die Leute fühlen sich besser.  Reinkommen, Aktenordner aufschlagen und loslegen wird als unhöflich empfunden.  Stabsbesprechungen im Weissen Haus in Krisensituationen sind davon ausgenommen – da geht es gleich zur Sache.  Die wöchentlich Mitarbeiterbesprechung des Teams: Small Talk machen.

Small Talk Muss man lernen

Als Deutsche/r muss man Small Talk lernen, das kriegen die wenigsten von Hause aus mit da in Deutschland Small Talk als oberflächliche Zeitverschwendung verstanden wird.  Mit dieser Einstellung kommt man hier nicht weit – andere kulturelle Konventionen und Erwartungen sind am Werk.  Small Talk wird benützt um sich erstmal ein bisschen kennenzulernen oder Rapport herzustellen. Ohne diese ersten Minuten, die die Stimmung (hoffentlich positiv) beeinflussen würde eine Besprechung als viel weniger freundlich empfunden.  Jemand, der ohne Umschweife gleich zur Sache kommt gilt als unhöflich und löst im besten Fall resigniertes Kopfschütteln aus.

Andere Länder, andere Sitten

Was man sich immer vor Augen halten muss, ist das dieses Verhalten normal ist für Amerikaner.  Die machen das nicht, um Deutsche zum Wahnsinn zu treiben.  Genau wie andere gehen sie natürlich auch davon aus, dass es jeder so macht; das Small Talk also normal ist.  Ein neuer deutscher Chef, der reinkommt, den Projektor anschaltet und loslegt wird nicht als effizient betrachtet, sondern als unhöflich.  Es hilft also alles nichts: wenn man hier arbeitet, muss man zumindest die Grundlagen des Small Talks beherrschen.

Ich habe Small Talk an der Business School gelernt und – ich sag das jetzt ohne Ironie – es war eine der wichtigsten Lektionen, die ich da gelernt hab.  Ohne die soziale “Schmierseife” des Small Talks ist es hier verdammt schwierig durchzukommen.

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5 Comments

  1. Eric

    “Ohne die soziale “Schmierseife” des Small Talks ist es hier verdammt schwierig durchzukommen.”

    Ach, was soll’s auch, ein bisschen was zu erzählen oder zum “Schwätzen” hat doch jeder oder? Ich finde das gut so, wie es ist.

    Ich hätte keine Chance, bei Euch, ich bin einfach nur ich und das reicht nicht aus…

    • Californiagirl

      Das würdest Du lernen. Echt! Ich konnte das früher auch nicht aber es ist gar nicht so schwierig. Es wird ja nicht viel erwartet, nichts Tiefgründiges oder Hochgeistiges. Man fragt halt wie des der kranken Mutter geht oder ob das Auto wieder repariert ist und erzählt, dass man am Samstag ein tolles Restaurant entdeckt oder einen super Film gesehen hat. Man erzählt halt einfach etwas und zeigt ein bisschen Interesse am andern.

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