Eine Konstanzerin in Kalifornien

#MeToo

#MeToo

#MeToo, Bildquelle

Ich weiss nicht, ob und wenn ja wie weit die #MeToo Welle auch Deutschland überrollt hat. Hier ist die heiße Phase, in der man jeden Tag viele Geschichten in der Presse liest vorbei, aber die Bewegung ist, wie man hier so schön sagt here to stay (hier und bleibt). Berechtigtermassen, denn es wird langsam Zeit, das gegen sexuelle Belästigung hart durchgegriffen wird.

Das sexuelle Belästigung und schlimmeres am Arbeitsplatz und überhaupt ein Riesenproblem ist, war schon lange klar. Wer es nicht selbst erfahren hat, kennt Frauen, denen es passiert ist. Ich kann mich noch sehr gut an einen Kollegen erinnern, gehobene Position, der sich an seine Mitarbeiterinnen herangemacht hat. Bevorzugt die schüchternen, kleinen, auch gerne die im Aussendienst, die intern ein weniger starkes Netzwerk hatten, da sie oft unterwegs waren. Bei mir hat er es auch einmal probiert. Dazu kann ich nur sagen: es hilft, wenn man a) von der Statur her dem Kerl mit einer Stiefelette eine überbraten könnte b) so aussieht als wenn das auch ohne weiteres tun würde und c) und vermutlich am wichtigsten: direkt dem CEO unterstellt ist und ein gutes Verhältnis zu ihm sowie dem Gründer und allen anderen wichtigen Leuten in der Hierarchie hat. Das wurde also nichts und dass er die arme J. belästigt hat, habe ich erst später erfahren.

MeToo ist nicht neu, #MeToo schon

Aber zurück zu #MeToo, also Ich Auch, wird seit den späten 90er Jahren benützt und wurde von Tarana Burke, einer Aktivistin eingeführt. Populär wurde es diesen Oktober nachdem die schweren Vorwürfe gegen Harvey Weinstein publik wurden. Die Schauspielerin Alyssa Milano (da ich mit Pop-Kultur hoffnungslos bin kann man hier nachlesen wer Alyssa Milan ist) hat den Ausdruck als Twitter Hashtag #MeToo dann zu viralem Status verholfen. Die Bewegung ist mittlerweile weltweit und zeigt mit schockierender Deutlichkeit, wie weiterverbreitet sexuelle Übergriffe auf Frauen und in geringer Zahl aber natürlich genauso schlimm auf Männer, sind.  In vielen Fällen ist das allgemein bekannt und die, die etwas dagegen tun könnten zucken nur die Schultern und sagen, “na ja, so schlimm ist es sicher nicht” oder “andere haben das auch überlebt” oder am schlimmsten und sicher nicht unüblich “da sind die Frauen selbst mit schuld”. Bei Weinstein war es wohl so, jeder wusste es, es wurde mehr oder weniger offen darüber geredet  aber unternommen hat keiner was. Ich bin mal bös und behaupte, das es vermutlich genug Männer gab, die Harvey auf die Schultern geklopft haben, ihn beneidet haben, und gerne selbst mal mit Angelina Jolie ….

Danach brach der Damm: Kevin Spacey – ausnahmsweise keine Frauen, sondern junge Männer -, Louis C.K., der hier sehr berühmt ist und beliebt war, Charlie Rose von PBS, einer der grauen Eminenzen, von denen man das nie und nimmer erwartet hätte. Alle aber doch nicht Charlie und dann auch noch so eklig. Was denkt sich bloss ein älterer Mann, wenn er unaufgefordert nackt vor irgendwelchen Frauen herumspaziert. Matt Lauer war ähnlich, obwohl man es dem eher zugetraut hätte als Rose, aber irgendwie halt doch als wenn einer der bekannten Talkshow Typen oder Tagesschau-Sprecher in Deutschland seine Mitarbeiterinnen belästigt hätte.

#MeToo und Politik

Und dann wurde es besonders eklig: Politiker. Über den schlimmsten aller Schweine, Roy Moore, den Pädophilen, hab ich ja schon geschrieben. Der ist seit einigen Tagen doch wieder salonfähig, dazu ein andermal. John Conyers, ein Demokrat, Abgeordneter aus Michigan, bestreitet alles, obwohl er eine Abfindung gezahlt hat und hat heute morgen gesagt, dass er mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand geht. Er tritt er also nicht wegen der Vorwürfe zurück sondern geht in Rente. Wie dem auch sei, er hat zumindest irgendwelche Konsequenzen gezogen.

Eine Liste mit vielen Namen von Männer, gegen die Vorwürfe erhoben worden, ist hier.

#MeToo – nicht Du, Al Franken!
#MeToo

Nicht auch Du, Al! Bildquelle

Dann bleibt noch der, mit dem ich am meisten Probleme habe: Al Franken. Franken war Komiker, hat bei Saturday Life Night mitgemacht und ist seit 2009 Senator von Minnesota. Ich habe keine Ahnung hat wie man mit Humor einen Winter in Minnesota übersteht, aber da tut nichts zur Sache. Al ist gut, nimmt kein Blatt vor den Mund, er hat wiederholt Schlagzeilen gemacht, weil er bei irgendwelchen Anhörungen Dinge beim Namen genannt hat und sich auch von der Gegenseite nicht die Wolle über die Augen hat ziehen lassen. Ich mag Franken, ich möchte, dass uns Franken noch lange als Senator erhalten bleibt.

Und jetzt begeben wir uns in gefährliche Gelände: wie weit kann man sexuelle Belästigung rechtfertigen, wann und wie, kann man der Frau zumindest eine Teilschuld zuweisen. Bei den Republikanern ist das Gang und Gäbe. Im Fall von Moore, z.B. möchten uns seine Fans verkaufen, dass die Frauen alle gelogen zu haben oder mitschuldig sind oder dass zumindest nichts Abartiges dabei ist, wenn ein 32-Jähriger einer 14-Jährigen nachstellt und sie belästigt.

Franken’s Anklägerin ist Leeann Tweeden, mit der er zusammen auf einer USO Tour war (USO Touren werden von einer gemeinnützigen Organisation veranstaltet und bringen Komiker, Schauspieler, Sänger, etc auf Militärstützpunkte ausserhalb der USA, um den Truppen ein wenige Unterhaltung von zu Hause zu bieten. Nette Sache, an sich). In einem Sketch, gab es einen Kuss zwischen Leeann’s und Al’s Charakteren und angeblich soll Al sie heftig geküsst haben und mit Zunge. Eklig , wenn wahr, wer will schon fremde Zungen ….  Ausserdem hat er sich auf dem Rückweg einen geschmacklosen Scherz erlaubt, Leeann schlief und er hat die Hände so gehalten, das es aussieht, als ob er ihr an die Brust grabschen würde. Okay, wenn ein 15-Jähriger das macht, ist es blöd aber irgendwie verständlich und hoffentlich kriegt er von seiner Mutter eine Watschen und dann ist gut, aber ein 66-Jähriger sollte es besser wissen.

Soweit so schlecht. Aber ehrlich gesagt finde ich das reicht noch lange nicht an Roy Moore heran, oder an Harvey Weinstein, oder an Charlie Rose, der plötzlich im offenen Bademantel auftaucht. Dazu muss auch gesagt werden, dass Leeann Tweeden nun nicht gerade ein Mauerblümchen ist sondern selbst hin und wieder mal den Jungs an den Hintern grabscht und sich bei USO Touren gerne sehr, sagen wir, kokett zeigt.

Kann man, darf man sexuelle Belästigung relativieren? Ist es eher okay wenn es jemand ist, den man mag und dem man das eigentlich nicht zutraut? Darf man einigen Frauen glauben, weil sie sich nicht aufreizend verhalten und bei anderen denken, “so wie die sich aufführt darf die gar nichts sagen”. Eigentlich nein, aber dann scheint es irgendwie auch nicht okay zu sagen, dass ein 32-Jähriger, der eine 14-Jährige auszieht, nicht schlimmer ist als ein Mann der eine Erwachsene gegen ihren Willen zungenküsst.  Ich spreche dabei nicht von Recht, sondern von Moral, auf die rechtliche Seite dieser ganze Sache will ich erst mal gar nicht eingehen.

Insgesamt ist #MeToo eine extreme gute Sache, es muss aufhören, dass Männer Frauen und manchmal andere Männer belästigen und missbrauchen und dass die Umstehenden so tut als, ob nichts wäre und die Schuld den Opfern angehängt wird. Leider trifft es manchmal die, die wir mögen und dann ist die Gefahr zu relativieren und zu entschuldigen extrem hoch.

#MeToo

“Person of the Year 2017”

Nachtrag: heute wurde bekannt gegeben, dass Time Magazin die “Silence Breakers”, also diejenigen, die sich getraut haben und sexuellen Missbrauch publik gemacht haben, als “Person of the Year 2017” ausgewählt hat.  Gute Wahl, auch wenn ich gern Roter Mueller gesehen hätte, aber das kommt hoffentlich nächstes Jahr!

 

 

 

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2 Comments

  1. Eric

    Ich weiß nicht, wie das in diesen “gehobenen Kreisen” funktioniert. Die scheinen ja alle etwas anderen Spielregeln zu folgen. Mit dem Umgang dieses Themas – in den USA generell – bin ich ebenfalls nicht vertraut.
    Was die Arbeitswelt betrifft, habe ich aber so einiges an Erfahrung sammeln können.
    Als unser Unternehmen (wieder einmal) übernommen wurde – von einem Schwedischen Unternehmen – wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – in Form von Beschwerdestellen – in den Werken eingeführt. In unserem Werk hat man mich nominiert, obwohl diese Position meistens an Personaler oder Betriebsratsmitglieder delegiert wurde. Als Industrial Engineer fehlten mir natürlich einige Basics in Sachen AGG. Unser Werk bestand nur aus < 400 MA, so dass dieser Job als "kleine Zusatzaufgabe" vergeben wurde. Ich fand das aber interessant und wichtig, so dass ich das gerne gemacht und ernst genommen habe.

    Ich war dann auf einigen Veranstaltungen und workshops, wo diese Themen behandelt wurden. Unter anderem war natürlich sexuelle Belästigung ein Thema.

    Ich sag's mal so, das ist ein ganz heißes Eisen!
    Die Veranstaltungen waren zu 95% von Frauen dominiert und fast jedes Fall-Beispiel, wo beispielsweise eine Azubine einen Blumenstrauß zum Geburtstag bekam, wurde in die sexistische Ecke gestellt. "Der Ausbilder will was von Ihr, das ist doch klare Anmache u.s.w. " Auf die Idee, dass man damit auch die Leistung der Frauen, die in Männerberufen tätig sind, etwas herausstellen wollte, daran wurde nicht gedacht. Eine nette Geste wurde als Frauenfeindlich und sexistisch eingeordnet. Deshalb bin ich sehr vorsichtig, wenn es um das Verurteilen geht.

    Ich habe gestern ein Video-Statement von Ralph Möller gesehen, in Sachen Weinstein.
    Sinngemäß sagte er: " Wer sich mit dem in seinem Hotelzimmer trifft " sollte wissen was sie tut." Dem ist nichts hinzuzufügen. Aber manchen Menschen ist jedes Mittel recht um Erfolg zu haben. Und sobald es um "ME TOO" geht, fällt das allen plötzlich wieder ein.

    Wieder zurück zu meinen Erfahrungen.
    Wer in Deutschland/Europa – in Sachen sexueller Belästigung – an den Pranger gerät ist weg!
    Lediglich die Wahrnehmung sexistisch angegangen worden zu sein, reicht völlig aus um die Situation kritisch zu prüfen bzw. auch gerichtlich vorzugehen.

    Ich hatte einige Beschwerden in dieser Richtung, jeder bin ich nachgegangen.
    Internen MA habe ich klar gesagt, was die Uhr geschlagen hat. Externe haben Hausverbot bekommen, wenn die sich nicht angemessen verhalten haben.

    Deshalb: Meiner Meinung nach ist solch eine Beschuldigung so ziemlich das Übelste was Menschen passieren kann. Das ist gut so! Die Geschädigten müssen halt an die Öffentlichkeit gehen, sonst passiert nix bzw. Weinstein…

    • Californiagirl

      Ja, es ist ein schwieriges Thema und das mit den Blumensträußen ist natürlich albern. Also ich würde mich freuen … Das mit Weinstein finde ich, muss man schon differenziert sehen, klar es war ein “offenes Geheimnis” wie der sich aufführt aber leider führte kein Weg an dem vorbei. wer sich geweigert hat sich mit ihm zu treffen, der konnte das mit der Schauspielerei vergessen. Ich bin mir sicher, dass es genug Frauen gab, die gedacht haben “Mir passiert das nicht, da pass ich auf” und dann ware sie plotzlich in der Situation. Es geht ja immer um Macht, das ist ja wieder ganz klar geworden.
      Ich bin froh zu hören, dass man sich in Deiner Firma entschieden hat diese Aufgabe in so verantwortliche Hände wie Deine zu geben. Bestimmt keine leichte Sache, vor allem neben der Arbeit her! Alles Gute!

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